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Elektroautos als Notstromquelle für Ihr Zuhause

Elektroautos können als Notstromquelle für Zuhause dienen, doch nicht jedes Modell unterstützt die Funktion. Wir beleuchten, welche EVs bidirektionales Laden bieten und welche Hardware dafür nötig ist

Anja Meier
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Anja Meier

Anja Meier ist eine erfahrene Technologiejournalistin mit einem Fokus auf innovative Antriebssysteme und Nachhaltigkeit in der Automobilbranche. Sie analysiert seit über einem Jahrzehnt die Entwicklungen im Bereich Elektromobilität und alternative Kraftstoffe.

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Elektroautos als Notstromquelle für Ihr Zuhause

Die Möglichkeit, ein Elektrofahrzeug (EV) als Notstromquelle für das eigene Zuhause zu nutzen, weckt großes Interesse. Moderne EVs verfügen über leistungsstarke Batterien, die theoretisch genug Energie speichern können, um ein Haus über Tage zu versorgen. Dies könnte bei Stromausfällen helfen oder Energiekosten senken, indem Strom in Spitzenzeiten aus dem Fahrzeug bezogen wird. Doch die praktische Umsetzung erfordert spezielle Technologien.

Wichtige Erkenntnisse

  • Nur wenige EV-Modelle unterstützen derzeit bidirektionales Laden (V2H).
  • Zusätzliche Hardware und Software sind für die V2H-Funktionalität notwendig.
  • Die Kosten für die erforderliche Ausrüstung variieren stark.
  • Neue Modelle wie der Acura RSX und bestehende wie der Ford F-150 Lightning bieten V2H.
  • Drittanbieterlösungen ermöglichen V2H auch für nicht offiziell unterstützte EVs.

Wie funktioniert bidirektionales Laden (V2H)?

Bidirektionales Laden, auch bekannt als Vehicle-to-Home (V2H) oder Vehicle-to-Grid (V2G), ist die Technologie, die es einem Elektrofahrzeug ermöglicht, Strom nicht nur aufzunehmen, sondern auch wieder abzugeben. Dies bedeutet, dass die Energie aus der Fahrzeugbatterie in das Hausnetz eingespeist werden kann. Die EV-Batterien sind groß und effizient, was sie zu idealen mobilen Energiespeichern macht.

Allerdings ist die bloße Existenz einer großen Batterie nicht ausreichend. Das Fahrzeug benötigt spezielle Hardware und Software. Diese Komponenten stellen sicher, dass der Strom sicher und effizient aus dem Auto zurück ins Haus fließt. Ohne diese speziellen Systeme kann die Energie nicht aus dem Fahrzeug entnommen werden.

Faktencheck

  • Die meisten modernen EVs könnten ein durchschnittliches Haus theoretisch für mehrere Tage mit Strom versorgen.
  • V2H-Systeme bieten nicht nur Notstrom, sondern auch Potenzial zur Senkung der Energiekosten durch Lastmanagement.

Fahrzeuge mit V2H-Unterstützung

Derzeit bieten nur ausgewählte EV-Modelle ab Werk die erforderliche Technologie für bidirektionales Laden an. Die Hersteller integrieren diese Funktion zunehmend, um den Nutzen von Elektrofahrzeugen zu erweitern.

Acura RSX (ab 2026)

Honda hat kürzlich angekündigt, dass der kommende Acura RSX ab 2026 bidirektionales Laden unterstützen wird. Dieses Modell ist ein Vorbote für zukünftige EVs auf Hondas globaler EV-Plattform, die sowohl V2H- als auch V2G-Funktionen bieten sollen. Dies zeigt eine klare Richtung der Automobilindustrie hin zu vielseitigeren Elektrofahrzeugen.

Ford F-150 Lightning

Der Ford F-150 Lightning hat sich als Pionier im Bereich V2H etabliert. Er wurde bereits erfolgreich als Notstromquelle während Stürmen eingesetzt. Der elektrische Pick-up kann bis zu 9,6 kW Leistung aus seinen Batterien zurück ins Haus leiten. Dies reicht aus, um die grundlegenden Funktionen eines Haushalts während eines Stromausfalls aufrechtzuerhalten.

Um diese Funktion nutzen zu können, ist die Installation des Charge Station Pro (ehemals Intelligent Backup Power) Heimladegeräts sowie des Home Integration System (HIS) erforderlich. Das HIS umfasst einen Wechselrichter, einen Transferschalter und eine kleine Batterie. Die Hardwarekosten belaufen sich auf etwa 5.000 US-Dollar zuzüglich Installation. Bei der Extended Range-Version des F-150 Lightning ist der Charge Station Pro 80A bidirektionale Lader jedoch im Lieferumfang enthalten.

„Der F-150 Lightning hat gezeigt, wie ein Elektrofahrzeug im Notfall zum Lebensretter werden kann. Diese Technologie verändert die Wahrnehmung von EVs.“

Kia EV9

Der siebensitzige Kia EV9 bietet ebenfalls V2H-Ladefunktionen. In Kombination mit dem bidirektionalen Ladegerät Quasar 2 von Wallbox und der zugehörigen Power Recovery Unit (PRU) kann ein voll aufgeladener Kia EV9 ein durchschnittliches Einfamilienhaus bis zu drei Tage lang mit Strom versorgen. Bei sparsamem Energieverbrauch verlängert sich diese Dauer sogar.

Die Kosten für den Wallbox Quasar 2 beginnen bei 6.440 US-Dollar, ebenfalls zuzüglich Installation. Dieses System beinhaltet die PRU und ein wandmontiertes 12-kW-L2-Ladegerät mit 12,8 kW Entladeleistung für ein zweiphasiges System.

Hintergrundinformation

Die Integration von V2H-Technologie in Elektrofahrzeuge ist ein wichtiger Schritt zur Dezentralisierung der Energieversorgung. Sie ermöglicht es Haushalten, unabhängiger vom öffentlichen Stromnetz zu werden und trägt zur Stabilität der Netze bei, indem sie als dezentrale Speicher fungieren.

Alle Ultium-basierten GM EVs

Mit Ausnahme einiger Spezialmodelle wie dem Chevy Brightdrop, GMC Hummer EV und dem Cadillac CELESTIQ können alle auf der Ultium-Plattform basierenden GM EVs Strom an das Zuhause zurückgeben. Dies geschieht über das GM Energy Ultium Home System, das als eine der am besten integrierten Lösungen für EV, Batteriespeicher und Solaranlagen gilt.

Das neue 19,2 kW Powershift Charger von GM Energy liefert etwa 6-7% mehr Leistung als ein typisches 11,5 kW L2-Ladegerät. Für bidirektionales Laden muss der Powershift Charger mit einem kompatiblen GM EV und dem GM Energy V2H Enablement Kit kombiniert werden. Das gesamte System kostet 12.699 US-Dollar zuzüglich Installation und kann über GM Financial finanziert werden. Einige 2024er Modelle benötigen möglicherweise ein Software-Update, das über den Händler oder Over-the-Air (OTA) erfolgen kann.

Taiga Orca WX3

Das kanadische Startup Taiga bietet ab 2026 bidirektionales Laden für seine elektrischen Wasserfahrzeuge an. Der Taiga Orca WX3 wird die gleiche Schnellladetechnologie wie Elektroautos nutzen und kann in unter 30 Minuten aufgeladen werden. Diese Wasserfahrzeuge können dann als mobile Energiequellen dienen, um Ausrüstung am Dock aufzuladen, Hotelverbraucher auf größeren Yachten zu versorgen oder abgelegene Hütten und Campingplätze mit Strom zu versorgen.

Tesla Cybertruck

Besitzer eines Tesla Cybertruck haben zwei Optionen, um ihr Zuhause mit ihrem Fahrzeug zu versorgen. Wenn sie bereits über eine Tesla Powerwall verfügen, ist keine weitere Ausrüstung nötig. Ohne Powerwall müssen ein Universal Wall Connector Ladegerät, ein Powershare Gateway und ein Tesla Backup Switch installiert werden. Diese zweite Option kostet etwa 3.500 US-Dollar zuzüglich Installation.

Diese Liste umfasst die Fahrzeuge, die V2H-Software ab Werk integriert haben. Doch was ist, wenn Ihr EV nicht auf dieser Liste steht?

Drittanbieterlösungen für V2H

Auch wenn ein EV nicht offiziell bidirektionales Laden unterstützt, gibt es Möglichkeiten, die Fahrzeugbatterie als Notstromquelle zu nutzen. Hier kommen Drittanbieterlösungen ins Spiel, die die Lücke schließen.

Sigenergy V2X-System

Für viele Tesla Model 3- und Y-Besitzer, die auf offizielle bidirektionale Ladefunktionen warten, bietet das Sigenergy V2X-System eine beeindruckende Alternative. Dieses System funktioniert auch mit beliebten Modellen wie dem Kia EV6 und dem Volvo EX30 über das DIN70121-Protokoll. Zudem ist es mit mehreren VW/Audi/Porsche- und Mercedes-Benz-EVs über das ISO15118-2-Protokoll kompatibel.

Fred Lambert, Chefredakteur von Electrek, zeigte sich nach einer detaillierten Untersuchung des Systems beeindruckt. Das Sigenergy V2X-System erweitert die Möglichkeiten der V2H-Nutzung erheblich und macht sie für eine breitere Palette von Elektrofahrzeugen zugänglich.

Alternative für geringes Budget

Für eine kostengünstige Notstromversorgung kann ein einfacher Generatoranschluss und ein Sicherheitsschalter installiert werden. Wenn das EV über eine 240-Volt-Steckdose verfügt (meist bei Elektro-Lkw), kann es direkt an diesen Anschluss angeschlossen werden, nachdem die Verbindung zum Stromnetz getrennt wurde. Dies ist eine rudimentäre, aber funktionale V2H-Lösung.

Fazit und Ausblick

Die Nutzung eines Elektrofahrzeugs als Notstromquelle ist technisch möglich und wird von immer mehr Herstellern unterstützt. Die Investition in die notwendige Hardware und Software kann sich lohnen, insbesondere in Regionen mit häufigen Stromausfällen oder hohen Spitzenstrompreisen.

Die Entwicklung in diesem Bereich schreitet schnell voran. Mit der zunehmenden Verbreitung von Elektrofahrzeugen und der Weiterentwicklung der bidirektionalen Ladetechnologie werden V2H-Systeme in Zukunft wahrscheinlich standardmäßiger und erschwinglicher werden. Dies eröffnet neue Perspektiven für die Energieautonomie von Haushalten und die Stabilität der Stromnetze.