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Verlassene Boote in Oregon: Ein Problem zwischen Umweltgefahr und Wohnungsnot

Verlassene Boote auf Oregons Wasserstraßen stellen eine wachsende Umweltgefahr dar und dienen gleichzeitig als Unterkunft für Obdachlose. Behörden stehen vor der Herausforderung, zwischen Umweltschutz

Julia Kaufmann
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Julia Kaufmann

Julia Kaufmann ist eine Journalistin mit Schwerpunkt auf Umweltpolitik und soziale Gerechtigkeit. Sie berichtet über die Schnittstellen von Umweltschutz, staatlicher Regulierung und deren Auswirkungen auf lokale Gemeinschaften.

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Verlassene Boote in Oregon: Ein Problem zwischen Umweltgefahr und Wohnungsnot

Auf den Wasserstraßen von Oregon entwickelt sich ein wachsendes Problem: Verlassene und heruntergekommene Boote gefährden die Umwelt und die Schifffahrt. Gleichzeitig dienen viele dieser Schiffe als letzter Zufluchtsort für Menschen ohne festen Wohnsitz, was die Behörden vor eine komplexe Herausforderung stellt.

Wichtige Erkenntnisse

  • Verlassene Boote in Oregon stellen eine erhebliche Umweltgefahr dar, da sie Treibstoff, Öl und andere Schadstoffe freisetzen können.
  • Viele dieser Boote werden von obdachlosen Menschen als Unterkunft genutzt, was die Entfernungsmaßnahmen erschwert.
  • Die Kosten für die Bergung und Entsorgung können pro Boot von einigen Tausend bis über eine Million Dollar betragen und belasten oft die öffentlichen Kassen.
  • Behörden wie das Oregon State Marine Board versuchen, zwischen dem Schutz der Wasserwege und der sozialen Verantwortung abzuwägen.

Das wachsende Problem auf Oregons Flüssen

Phil Hudspeth vom Oregon State Marine Board ist regelmäßig auf den Gewässern des Bundesstaates unterwegs. Seine Aufgabe ist es, verlassene und heruntergekommene Schiffe, auch als ADVs (Abandoned and Derelict Vessels) bekannt, zu identifizieren und zu markieren. Diese Boote sind oft nicht mehr fahrtüchtig und blockieren Wasserwege.

„Wir wollen sicherstellen, dass wir diese Boote aus dem Wasser holen, damit sie die Wasserwege Oregons nicht verschmutzen“, erklärt Hudspeth. Die Gefahr ist real: Auslaufender Treibstoff, Frostschutzmittel oder Abwasser können das empfindliche marine Ökosystem nachhaltig schädigen.

Gemeinsam mit den Deputies Ryan Barrett und Chad Diekmann vom Multnomah County Sheriff's Office patrouilliert er auf dem Willamette River. Die Beamten suchen nach Anzeichen von Vernachlässigung, wie abgelaufene Registrierungsaufkleber oder sichtbare Schäden am Rumpf.

Der offizielle Prozess zur Entfernung

Bevor ein Boot entfernt werden kann, muss ein rechtliches Verfahren eingehalten werden. Zuerst wird ein orangefarbener Aufkleber, eine sogenannte „Pre-Seizure Notice“, am Schiff angebracht. Anschließend wird ein Brief an den letzten bekannten Eigentümer gesendet, der eine Frist von 10 Tagen erhält, um zu reagieren. Bleibt eine Reaktion aus, geht das Eigentum des Bootes an den Staat Oregon über.

Ein Zuhause auf dem Wasser

Die Situation wird kompliziert, weil viele dieser Boote nicht einfach nur Müll sind. Für einige Menschen sind sie ein Zuhause. Die steigenden Wohnkosten und die Obdachlosigkeit treiben Menschen dazu, günstige, oft baufällige Boote zu kaufen, um ein Dach über dem Kopf zu haben.

„Ich habe gehört, dass Boote für nur einen Dollar verkauft wurden“, sagt Hudspeth. Diese günstigen Angebote sind oft mit hohen, unerwarteten Reparaturkosten verbunden, die die neuen Besitzer nicht tragen können. Das Boot wird dann vernachlässigt und schließlich aufgegeben.

„Es ist ein sensibles Thema, bei dem wir nicht einfach jemandem, der sonst obdachlos wäre, die Unterkunft wegnehmen werden.“

– Deputy Chad Diekmann, Multnomah County Sheriff’s Office

Die Perspektive der Bewohner

Pete Sostilio ist einer der Menschen, die auf einem solchen Boot leben. Er hat es bei einer Auktion günstig erworben, da es erhebliche Mängel hatte. „Wir leben jetzt seit zwei Jahren hier draußen“, berichtet er. „Wir sind obdachlos, wissen Sie. Wir kämpfen.“

Die Gebühren für einen festen Liegeplatz in einer Marina sind für ihn unerschwinglich. „Die meisten Marinas verlangen einen Vertrag über 350 Dollar pro Monat“, erklärt Sostilio. „Wir können uns nicht einmal die Registrierung leisten, geschweige denn 350 Dollar im Monat.“ Daher ankert er illegal auf dem Fluss, immer mit dem Risiko, von den Behörden entdeckt zu werden.

Gesetzliche Ankerregeln in Oregon

Nach dem Gesetz in Oregon dürfen registrierte Boote nur bis zu 30 Tage am selben Ort ankern oder festmachen. Danach müssen sie sich mindestens fünf Meilen entfernen. Boote, die diese Frist überschreiten und keine gültige Registrierung haben, gelten oft als verlassen oder nicht mehr fahrtüchtig.

Die hohen Kosten der Entsorgung

Wenn ein Boot schließlich vom Staat übernommen wird, beginnt ein teurer Prozess. Die Kosten für die Bergung und Entsorgung eines Schiffes hängen von seiner Größe, seinem Zustand und Material ab. Ein kleines Holzboot ist relativ einfach zu entsorgen, aber ein 50-Fuß-Fischkutter aus Glasfaser kann enorme Kosten verursachen.

Dorothy Diehl vom Oregon Department of State Lands erklärt die finanzielle Dimension: „In einigen dieser Fälle liegen die Kosten von Anfang bis Ende bei über 1 Million Dollar.“ Besonders gesunkene Schiffe sind extrem teuer in der Bergung.

Obwohl die Gesetze in Oregon den letzten eingetragenen Eigentümer für alle Entsorgungskosten haftbar machen, ist die Realität eine andere. Oft sind die Eigentümer nicht auffindbar oder finanziell nicht in der Lage, die Kosten zu tragen. In diesen Fällen springt die öffentliche Hand ein.

Finanzierung der Aufräumarbeiten

Um diese enormen Ausgaben zu decken, greift Oregon auf verschiedene Geldquellen zurück:

  • $18,8 Millionen: Im Jahr 2023 wurden Mittel aus einem Vergleich im Zusammenhang mit der Monsanto-Verschmutzung bereitgestellt.
  • $1 Million: Zuschüsse von der gemeinnützigen Organisation BoatUS und dem Marine Debris Program der NOAA.
  • $150.000: Alle zwei Jahre stellt das Oregon State Marine Board Mittel aus den Einnahmen von Bootsregistrierungen und Titelgebühren zur Verfügung.

Trotz dieser Mittel bleibt das Problem bestehen. Kaum ist ein altes Boot entfernt, taucht oft schon ein neues an seiner Stelle auf. Es ist ein ständiger Kreislauf, der durch wirtschaftliche Not und mangelnde Entsorgungsmöglichkeiten für Boote angetrieben wird.

Ein Balanceakt ohne einfache Lösung

Die Behörden in Oregon stehen vor einem Dilemma. Einerseits müssen sie die Umwelt schützen und die Wasserwege für alle sicher halten. Andererseits erkennen sie die sozialen Nöte an, die viele Menschen auf die Flüsse treiben.

Zora Hess, eine ehrenamtliche Helferin, die Bootsbewohner mit Lebensmitteln versorgt, betont die menschliche Seite. „Für mich geht es darum, die Menschen kennenzulernen“, sagt sie. „Und das kann damit anfangen, dass man im Vorbeifahren einfach winkt.“

Josh Mulhollem vom Department of State Lands bestätigt das Ausmaß des Problems. „DSL hat kürzlich allein auf dem unteren Willamette und Columbia Dutzende identifiziert. Es gibt Dutzende weitere auf anderen Teilen des Columbia und an den Küstenflüssen“, sagt er. Hinzu kommt eine unbekannte, aber beträchtliche Anzahl gesunkener Wracks.

Die Situation in Oregon zeigt deutlich, wie ökologische Probleme und soziale Krisen miteinander verknüpft sind. Eine einfache Lösung gibt es nicht, solange die grundlegenden Ursachen wie Armut und Wohnungsmangel nicht angegangen werden. Bis dahin bleibt es ein schwieriger Balanceakt für die zuständigen Behörden.