Die Kombination aus Dieselmotor und Motorrad ist selten. Sie birgt technische Herausforderungen. Dennoch entwickelte das niederländische Unternehmen EVA Products ein solches Fahrzeug: die Track T-800CDI. Dieses Motorrad sollte die Vorteile eines großen Tourenmotorrads mit dem geringen Kraftstoffverbrauch eines Kleinwagens verbinden. Es nutzte einen Turbodieselmotor aus einem Stadtauto. Mit einer Reichweite von bis zu 900 Kilometern sollte es das fortschrittlichste Dieselmotorrad der Welt sein. Trotz dieser ambitionierten Ziele blieb das Modell weitgehend unbekannt.
Wichtige Fakten
- Die Track T-800CDI war ein Diesel-Motorrad von EVA Products aus den Niederlanden.
- Sie nutzte einen 799-ccm-Smart Fortwo CDI-Motor und ein CVT-Getriebe.
- Das Motorrad bot eine Reichweite von bis zu 900 km und einen Verbrauch von bis zu 2,1 l/100 km.
- Entwickler Erik Vegt zielte auf Zuverlässigkeit und Wartungsfreundlichkeit ab.
- Trotz positiver Aspekte scheiterte der kommerzielle Erfolg aufgrund des hohen Preises und des Nischenkonzepts.
Die Herausforderung des Diesel-Motorrads
Dieselmotoren sind im Motorradbau ungewöhnlich. Sie sind oft schwer, erzeugen Vibrationen und haben geringe Drehzahlen. Ihre Leistung ist im Vergleich zu Benzinmotoren bei Motorrädern oft niedriger. Motorradfahrer suchen meist Fahrspaß, nicht unbedingt Kraftstoffersparnis. Aus diesen Gründen konnten sich Dieselmotorräder nie wirklich durchsetzen.
In der Geschichte gab es nur wenige Dieselmotorräder, die als massenproduziert galten. Dazu gehören die HDT M1030M1, ein Militärmotorrad der US-Armee, und die Royal Enfield Diesel. Letztere wurde für Fahrer entwickelt, die maximale Kraftstoffeffizienz suchten. Nur die Royal Enfield verkaufte über 1.000 Einheiten.
Wussten Sie schon?
Die Royal Enfield Diesel war das einzige Dieselmotorrad, das in nennenswerten Stückzahlen (über 1.000 Einheiten) verkauft wurde. Sie richtete sich primär an sparsame Fahrer.
Die Vision von Erik Vegt
Die Track T-800CDI entstand in einer Zeit, als viele frühere Dieselmotorradprojekte gescheitert waren. Erik Vegt, CEO von EVA Products in den Niederlanden, wollte es besser machen. Er stellte sich ein Abenteuer-Tourenmotorrad vor. Es sollte über eine hohe Leistung, eine enorme Reichweite und gute Offroad-Eigenschaften verfügen. Im Grunde sollte es eine Diesel-Alternative zu Modellen wie der BMW GS oder der Triumph Tiger sein.
Erik Vegt war bekannt für den Bau von Wüstenrallye-Motorrädern. Diese hatten große Tanks und verstärkte Fahrwerke. Im Jahr 2006 startete er das Track-Projekt. Sein Ziel war, eine neue Art der Mobilität zu schaffen. Er sah Schwachstellen in herkömmlichen Motorrädern, besonders auf langen Reisen.
„Kupplungen und Getriebe sind unnötige Fehlerquellen auf langen Reisen“, sagte Erik Vegt in einem alten Video über sein Konzept.
Design und Technik
Vegt kritisierte manuelle Kupplungen und Getriebe. Sie würden die Hand auf langen Fahrten ermüden und die Wahl des optimalen Gangs erschweren. Daher sollte sein Motorrad ein stufenloses Getriebe (CVT) wie ein Roller haben. Das würde die Fahrt vereinfachen und potenzielle Fehlerquellen reduzieren.
Ein weiterer Punkt war der Kraftstoffverbrauch. Hohe Sparsamkeit war nicht das alleinige Ziel. Die hohe Energiedichte von Dieselkraftstoff machte ihn jedoch attraktiv. Für lange Fahrten durch die Wüste brauchte man keine extreme Leistung. Zuverlässigkeit und Reichweite waren wichtiger.
Hintergrundinformationen zum Antrieb
Erik Vegt entschied sich für den 799-ccm-Turbodiesel-Dreizylindermotor aus dem Smart Fortwo CDI. Dieser Motor war kompakt und für seine Langlebigkeit bekannt. Mit 45 PS und 105 Nm Drehmoment bot er eine solide Basis. Daimler war bereit, diese Motoren an EVA Products zu liefern.
Vegt wollte ein Motorrad, das nicht nur weite Strecken zurücklegte, sondern auch durchdacht war. Er bemerkte, wie schwer es war, ein großes Motorrad nach einem Sturz wieder aufzurichten. Sein Design sollte dieses Problem minimieren. Die gesamte Entwicklung der T-800CDI folgte dieser Philosophie. Die Wahl des Dieselmotors begründete er auch mit dessen Robustheit. Er hörte von einem Diesel-Lkw-Fahrer, dessen Motor eine Million Kilometer gelaufen war und immer noch einwandfrei funktionierte.
Technische Merkmale und Leistung
Da die Entwicklung eines eigenen Motors zu kostspielig gewesen wäre, wählte Vegt den Smart Fortwo CDI-Motor. Dieser Motor war kompakt und passte gut in das Konzept. Für das Getriebe setzte er auf ein leichtes CVT-Getriebe im Roller-Stil. Dieses verband er mit einem Kardanantrieb. Ein CVT-Getriebe sei in der Wüste leichter zu reparieren als ein Schaltgetriebe. Ein Kardanantrieb sei zudem nahezu wartungsfrei.
EVA Products war kein großes Unternehmen. Erik Vegt und vier weitere Mitarbeiter bildeten das Team. Die Track T-800CDI war ihr erstes Produkt. Dennoch gelang es ihnen, einen Designer von Aprilia und Alfa Romeo für die Karosserie zu gewinnen. Das Fahrwerk stammte von der niederländischen Firma White Power (heute WP Suspension). Die Ergonomie war für größere Fahrer konzipiert, speziell für Vegts Größe von 1,83 Metern.
- Motor: 799 ccm, Turbodiesel, Dreizylinder (Smart Fortwo CDI)
- Leistung: 45 PS
- Drehmoment: 105 Nm
- Getriebe: CVT (stufenloses Automatikgetriebe)
- Antrieb: Kardanwelle
- Gewicht: 220 kg
- Höchstgeschwindigkeit: 175 km/h
- Reichweite: bis zu 900 km
- Verbrauch: ca. 2,1 l/100 km bei 90 km/h; ca. 1,7 l/100 km im Mischverkehr
Das Unternehmen gab beeindruckende Verbrauchswerte an: 2,1 Liter auf 100 Kilometer bei 90 km/h und 1,7 Liter auf 100 Kilometer im Mischverkehr. Die Reichweite sollte bis zu 900 Kilometer mit einer Tankfüllung betragen. Das Gewicht von 220 Kilogramm war für ein Dieselmotorrad dieser Art angemessen. Die Höchstgeschwindigkeit von 175 km/h war für ein Abenteuer-Motorrad ausreichend.
Fahrberichte und Kritik
Der erste Prototyp der Track T-800CDI wurde 2006 fertiggestellt. Erik Vegt testete ihn auf anspruchsvollen Offroad-Touren. Das Motorrad erwies sich als zuverlässig und leistungsfähig. Ab 2009 wurden Testexemplare an Motorradjournalisten verliehen. Chris Newbigging von Motorcycle News berichtete über seine Erfahrungen:
„Das Starten der Track T-800CDI ist ein ungewöhnliches Erlebnis – sie klappert wie ein Traktor, erzeugt ein rumpelndes Vibrieren, und die übel riechenden Abgase, die aus dem kleinen, nach vorne gerichteten Schalldämpfer vor der rechten Fußraste aufsteigen, sind jedem vertraut, der schon einmal hinter einem alten Schulbus feststeckte.“ – Chris Newbigging, Motorcycle News
Newbigging beschrieb das Anfahren als sanft, ähnlich einem CVT-Roller. Die Vibrationen nahmen mit steigender Drehzahl zu. Die Beschleunigung war eher gemächlich, obwohl der Motor schnell auf Gasbefehle reagierte. Die 45 PS waren trotz des respektablen Drehmoments nicht viel. Bei höheren Geschwindigkeiten ließen die Vibrationen etwas nach, blieben aber spürbar. Der monotone, traktorähnliche Lärm des Motors, bedingt durch das CVT-Getriebe, wurde auf längeren Fahrten als ermüdend empfunden.
Trotz der Kritik an Fahrspaß und Raffinesse lobte Newbigging das robuste Design und die Zähigkeit der Track. Er bezweifelte jedoch, dass das Motorrad ein Mainstream-Produkt werden würde, da seine robusten Eigenschaften den Fahrspaß reduzierten.
Vergleich mit Konkurrenz
Eine BMW GS erreichte nur etwa die Hälfte der von der Track T-800CDI angegebenen Kraftstoffeffizienz. Dies unterstreicht die Effizienz des Dieselkonzepts.
Kommerzielle Herausforderungen und das Ende
Erik Vegt führte das Motorrad auf Touren durch Europa. Er stellte fest, dass Fahrer mit eingeschränkter Mobilität die fehlende Gangschaltung schätzten. Tankwarte reagierten oft überrascht, wenn sie sahen, wie ein Motorrad mit Diesel betankt wurde.
Als das Motorrad auf den Markt kam, traten jedoch Schwierigkeiten auf. Die Track T-800CDI wurde zuerst in Holland verkauft. Erik Vegt wusste, dass das Überleben seines Unternehmens eine europäische, dann globale Expansion erforderte. Der Startpreis lag 2009 bei etwa 15.000 Pfund, was damals rund 23.000 US-Dollar entsprach. Im Jahr 2011 kostete sie laut Classic Driver 18.750 Euro.
Dieser Preis war ein Nachteil. Eine BMW GS aus dem Jahr 2009 kostete etwa 11.250 Pfund. BMW war eine etablierte Marke mit langer Geschichte. EVA Products verlangte von Käufern, mehr Geld für eine unbekannte Marke und ein ungewöhnliches Konzept zu zahlen. Dies machte es schwer, Kunden zu gewinnen.
Zukunftspläne und Dieselgate
Erik Vegt sah die T-800CDI als Anfang. Er prognostizierte, dass Diesel sauberer und verbreiteter werden würde. Die Track-Motorräder sollten sich weiterentwickeln, leichter werden und auch andere Kraftstoffe wie Erdgas nutzen können. Er war überzeugt, dass Diesel im Motorradbereich seinen Platz finden würde, insbesondere für Langstreckenfahrten, wo Elektromotorräder an ihre Grenzen stoßen würden.
Diese Aussagen fielen jedoch nur wenige Jahre vor dem Dieselgate-Skandal. Dieser veränderte die Wahrnehmung von Dieselmotoren grundlegend. Ob Dieselmotorräder auch ohne Dieselgate eine Zukunft gehabt hätten, ist fraglich. Der Skandal trug jedoch sicherlich zum Scheitern bei.
Die geplante globale Expansion von Erik Vegt fand nie statt. Das Motorrad wurde bis 2013 in Holland verkauft. Kurz danach stellte EVA Products den Betrieb ein. Es wird angenommen, dass etwa 50 Exemplare gebaut wurden. Nur wenige davon sind heute noch fahrtüchtig. Laut dem europäischen Automagazin Auto Motor Klassiek hätte EVA Products mindestens 100 Einheiten pro Jahr verkaufen müssen, um zu überleben. Dies gelang dem Unternehmen nicht.
Fazit: Ein mutiges, aber gescheitertes Projekt
Die Track T-800CDI war ein faszinierendes Ingenieurprojekt. Sie zeigte das Potenzial eines Diesel-Motorrads für Langstrecken und Abenteuer. Trotz innovativer Ansätze und beeindruckender Reichweite scheiterte sie am Markt. Der hohe Preis, die Nische und die spätere negative Wahrnehmung von Dieselmotoren trugen dazu bei. Die Geschichte der Track T-800CDI ist ein Beispiel für mutige Ideen, die die Realität des Marktes nicht überwinden konnten. Dennoch bleibt sie ein interessantes Kapitel in der Motorradgeschichte.




