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Kraftstoffverbrauch: Warum die Realität oft von der Werbung abweicht

Offizielle Verbrauchsangaben von Autos weichen oft von der Realität ab. Erfahren Sie, wie diese Werte in Labortests ermittelt werden und warum Ihr Fahrstil einen großen Unterschied macht.

Anja Meier
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Anja Meier

Anja Meier ist eine erfahrene Technologiejournalistin mit einem Fokus auf innovative Antriebssysteme und Nachhaltigkeit in der Automobilbranche. Sie analysiert seit über einem Jahrzehnt die Entwicklungen im Bereich Elektromobilität und alternative Kraftstoffe.

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Kraftstoffverbrauch: Warum die Realität oft von der Werbung abweicht

Die offiziellen Angaben zum Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs sind für viele Käufer ein entscheidendes Kriterium. Doch oft stellt sich im Alltag heraus, dass der tatsächliche Verbrauch höher liegt als vom Hersteller angegeben. Der Grund dafür liegt in den standardisierten Testverfahren, die zwar für Vergleichbarkeit sorgen, aber nicht jeden individuellen Fahrstil abbilden können.

Diese Diskrepanz zwischen Laborwerten und realen Bedingungen führt regelmäßig zu Verwirrung und Frustration bei Autofahrern. Das Verständnis der Testmethoden hilft dabei, die offiziellen Verbrauchsangaben richtig einzuordnen und realistische Erwartungen an das eigene Fahrzeug zu haben.

Wichtige Erkenntnisse

  • Offizielle Verbrauchswerte werden in kontrollierten Labortests auf einem Rollenprüfstand ermittelt, nicht auf der Straße.
  • Die US-Umweltschutzbehörde EPA legt die Testrichtlinien fest, aber die Hersteller führen die meisten Tests selbst durch und melden die Ergebnisse.
  • Faktoren wie aggressives Fahren, Klimaanlagennutzung und extreme Temperaturen beeinflussen den realen Verbrauch erheblich und werden in den Standardtests nur teilweise berücksichtigt.
  • Für Elektroautos wird der Wert MPGe (Meilen pro Gallone Benzinäquivalent) verwendet, um die Effizienz vergleichbar zu machen, wobei 33,7 kWh einer Gallone Benzin entsprechen.

Grundlagen der Verbrauchsmessung

Die Angabe des Kraftstoffverbrauchs, in den USA als „Miles Per Gallon“ (MPG) bekannt, ist eine einfache, aber wirkungsvolle Kennzahl. Sie gibt an, wie viele Meilen ein Fahrzeug mit einer Gallone Kraftstoff fahren kann. In Europa wird stattdessen meist der Verbrauch in Litern pro 100 Kilometer (l/100 km) angegeben. Beide Werte dienen demselben Zweck: die Effizienz verschiedener Modelle vergleichbar zu machen.

Ihren Ursprung hat die standardisierte Verbrauchsangabe in den USA während der Ölkrise der 1970er Jahre. Die damalige Regierung führte die sogenannten „Corporate Average Fuel Economy“ (CAFE)-Standards ein. Diese Vorschriften zwangen die Automobilhersteller erstmals gesetzlich dazu, Schätzungen zum Kraftstoffverbrauch für Neuwagen bereitzustellen.

Von einer Kennzahl zu drei Werten

Im Jahr 2008 verfeinerte die EPA das System weiter. Anstelle eines einzigen Wertes wurden nun drei separate Angaben eingeführt: eine für den Stadtverkehr, eine für die Autobahn und ein kombinierter Durchschnittswert. Diese Aufteilung sollte den Verbrauchern eine genauere Vorstellung davon geben, was sie in unterschiedlichen Fahrsituationen erwarten können.

Diese Differenzierung macht bereits deutlich, warum der persönliche Verbrauch von den offiziellen Werten abweichen kann. Wer hauptsächlich in der Stadt fährt, wird den kombinierten Wert, der auch den effizienteren Autobahnbetrieb einschließt, nur selten erreichen.

Das Testverfahren der EPA

Eine weitverbreitete Annahme ist, dass die Umweltschutzbehörde EPA jedes einzelne Fahrzeugmodell selbst testet. Tatsächlich legt die Behörde jedoch primär die strengen Richtlinien für die Tests fest und überwacht deren Einhaltung. Die Automobilhersteller führen die Tests in der Regel selbst durch und übermitteln die Ergebnisse an die EPA.

Die EPA betreibt jedoch ein eigenes Labor in Ann Arbor, Michigan, das National Vehicle and Fuel Emissions Laboratory. Dort führt sie Stichprobentests durch, um die von den Herstellern gemeldeten Daten zu überprüfen. Diese Kontrollfunktion ist entscheidend, um die Integrität des Systems zu gewährleisten.

Der Rollenprüfstand simuliert die Straße

Die Tests finden nicht im realen Straßenverkehr statt, sondern in einer kontrollierten Laborumgebung auf einem sogenannten Rollenprüfstand. Dieses Gerät, das man sich als eine Art Laufband für Autos vorstellen kann, simuliert verschiedene Fahrbedingungen wie Beschleunigung, Bremsen und unterschiedliche Geschwindigkeiten, ohne dass das Fahrzeug das Labor verlässt.

Fünf standardisierte Testszenarien

Um möglichst realitätsnahe Bedingungen nachzubilden, hat die EPA fünf verschiedene Testzyklen entwickelt, die ein Fahrzeug durchlaufen muss:

  1. Stadtzyklus (FTP-75): Simuliert eine Fahrt im Stop-and-Go-Verkehr mit niedrigen Geschwindigkeiten. Die Klimaanlage und Heizung sind dabei ausgeschaltet.
  2. Autobahnzyklus (HWFET): Bildet eine Fahrt auf der Autobahn mit höheren, konstanten Geschwindigkeiten nach, ebenfalls ohne den Einsatz der Klimaanlage.
  3. Aggressiver Fahrzyklus (US06): Dieser Test zeichnet sich durch schnelle Beschleunigung und hohe Geschwindigkeiten aus, um einen sportlichen Fahrstil zu simulieren.
  4. Heißwetter-Test (SC03): Hier wird eine Außentemperatur von 35 Grad Celsius simuliert, und die Klimaanlage des Fahrzeugs läuft auf Hochtouren.
  5. Kaltwetter-Test: Das Gegenstück zum Heißwetter-Test simuliert eine Temperatur von -7 Grad Celsius, bei der die Heizung eingeschaltet ist.

Während dieser Tests wird der Kraftstoffverbrauch nicht direkt gemessen. Stattdessen wird ein Schlauch am Auspuffrohr befestigt, um die Kohlenstoffemissionen zu analysieren. Aus der Menge des ausgestoßenen Kohlenstoffs lässt sich der exakte Kraftstoffverbrauch präzise berechnen.

Effizienz bei Elektroautos: Die MPGe-Kennzahl

Mit dem Aufkommen von Elektrofahrzeugen (EVs) stand die EPA vor der Herausforderung, deren Effizienz auf eine Weise zu messen, die für Verbraucher mit den Werten von Benzinern vergleichbar ist. Die Lösung war die Einführung der Kennzahl MPGe, was für „Miles Per Gallon of gasoline equivalent“ steht.

„MPGe ist ein Maß dafür, wie weit ein Elektroauto mit der Energiemenge fahren kann, die in einer Gallone Benzin enthalten ist.“

Die Grundlage für diese Berechnung ist eine von der EPA festgelegte Umrechnung: Eine Gallone Benzin entspricht einem Energiegehalt von 33,7 Kilowattstunden (kWh) Strom. Die Berechnung ist somit einfach: Wenn ein Elektroauto 100 Meilen mit 33,7 kWh zurücklegen kann, erhält es eine Bewertung von 100 MPGe.

Der Testprozess für EVs und Hybride ist ähnlich dem für Verbrenner. Die Batterie wird vollständig aufgeladen, und das Fahrzeug wird auf dem Rollenprüfstand gefahren, bis die Batterie leer ist. Dabei werden der Stadt- und der Autobahnzyklus durchlaufen. Auch hier gilt: Der tatsächliche Verbrauch hängt stark von Faktoren wie Fahrstil, Außentemperatur und Beladung ab.

Wenn Laborwerte und Realität kollidieren

Die Abweichung zwischen den offiziellen MPG-Angaben und dem tatsächlichen Verbrauch kann erhebliche finanzielle Auswirkungen haben. Selbst ein Unterschied von nur wenigen Meilen pro Gallone summiert sich über die Lebensdauer eines Fahrzeugs zu beträchtlichen Mehrkosten für Kraftstoff.

In einigen Fällen ist die Diskrepanz jedoch nicht nur auf den individuellen Fahrstil zurückzuführen, sondern auf fehlerhafte Angaben der Hersteller. Einer der bekanntesten Fälle betraf Hyundai und Kia in den Jahren 2011 bis 2013. Nach zahlreichen Beschwerden von Verbrauchern untersuchte die EPA die Angaben und stellte fest, dass die Verbrauchswerte für viele Modelle zu optimistisch angegeben waren.

Der Hyundai-Skandal und seine Folgen

Nachdem die EPA die tatsächlichen Verbrauchswerte nach unten korrigiert hatte, sah sich Hyundai mit einer Sammelklage von rund 900.000 Fahrzeugbesitzern konfrontiert. Das Unternehmen musste schließlich eine Entschädigung in Millionenhöhe zahlen. Dieser Fall zeigte deutlich, wie wichtig die Kontrollfunktion der EPA ist, um das Vertrauen der Verbraucher zu schützen.

Auch andere Untersuchungen haben Abweichungen aufgedeckt. Ein Bericht von MotorTrend aus dem Jahr 2017 fand beispielsweise heraus, dass ein Jeep Renegade, der mit 24 MPG kombiniert bewertet war, im realen Test nur 20,9 MPG erreichte. Ein Subaru Outback aus demselben Jahr wurde mit 29 MPG bewertet, erreichte im Test aber nur 24,9 MPG.

Letztendlich ist die offizielle Verbrauchsangabe ein wichtiger Richtwert, der eine gute Vergleichsgrundlage bietet. Autofahrer sollten sich jedoch bewusst sein, dass es sich um einen unter idealisierten Laborbedingungen ermittelten Wert handelt. Der beste Indikator für den wahren Verbrauch bleibt die eigene Erfahrung im täglichen Gebrauch.