Die Frage, ob Fahrer von Plug-in-Hybridfahrzeugen (PHEVs) ihre Autos regelmäßig aufladen, beschäftigt Experten seit Jahren. Während in den USA kaum Daten dazu vorliegen, ermöglicht eine europäische Studie detaillierte Einblicke in das reale Nutzungsverhalten. Diese Untersuchung der Europäischen Kommission zeigt, dass PHEVs in Europa deutlich mehr Kraftstoff verbrauchen als auf dem Prüfstand angegeben. Im Gegensatz dazu deuten Umfragen aus den USA bei bestimmten Marken auf ein aktiveres Ladeverhalten hin.
Wichtige Erkenntnisse
- Europäische Studie: PHEVs verbrauchen 3,5-mal mehr Kraftstoff als WLTP-Werte vorhersagen.
- Grund: Fahrer laden ihre Fahrzeuge nicht oft genug.
- US-Daten: BMW, Kia und Hyundai berichten von hohem Ladeverhalten ihrer PHEV-Kunden.
- Herausforderung: Fehlende standardisierte Datenerfassung in den USA erschwert einen Gesamtüberblick.
- Motivation zum Laden: Kostenersparnis und Nutzung von Fahrspuren sind wichtige Anreize.
Europäische Studie beleuchtet Kraftstoffverbrauch
Die Europäische Kommission veröffentlichte im vergangenen Jahr eine umfassende Studie zum Kraftstoffverbrauch von rund 600.000 Fahrzeugen in Europa im Jahr 2021. Diese Untersuchung umfasste benzin-, diesel- und hybridbetriebene Fahrzeuge. Die Datenerhebung war möglich, da jedes nach Dezember 2020 gebaute Auto über ein On-Board Fuel Consumption Monitoring (OBFCM)-Gerät verfügen muss. Dieses Gerät erfasst den tatsächlichen Kraftstoffverbrauch und übermittelt die Informationen an die Hersteller, entweder per Fernzugriff oder während routinemäßiger Wartungen.
Die Ergebnisse der Studie bestätigten einen Verdacht vieler Beobachter: Fahrer von Plug-in-Hybriden nutzten die elektrische Antriebsmöglichkeit nicht ausreichend. Die Studie ergab, dass PHEVs im Durchschnitt etwa 3,5-mal mehr Kraftstoff verbrauchten, als es die im Rahmen des Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure (WLTP) ermittelten Werte voraussagten. Die WLTP-Werte sind das europäische Äquivalent zu den EPA-Zahlen in den USA.
"Die Analyse der realen Daten bestätigt, dass die Diskrepanz zwischen realem und angegebenem Verbrauch bei Plug-in-Hybriden signifikant höher ist als bei konventionellen Fahrzeugen. Ein Hauptgrund für diese Diskrepanz liegt in der Nichtübereinstimmung zwischen dem bei der Typgenehmigung verwendeten Nutzungsfaktor und den tatsächlichen Lade- und Fahrgewohnheiten." – Europäische Kommission
Fakten zum OBFCM-Gerät
- Pflicht in Europa: Seit Dezember 2020 in allen Neufahrzeugen vorgeschrieben.
- Funktion: Überwacht den realen Kraftstoffverbrauch.
- Datenübertragung: Erfolgt entweder ferngesteuert oder bei Werkstattbesuchen.
Herausforderungen bei der Datenerfassung in den USA
In den USA ist die Erfassung vergleichbarer Daten zum Ladeverhalten von PHEVs schwieriger. Es gibt keine standardisierte Methode zur Überwachung und keine staatliche Stelle, die Daten von Herstellern veröffentlicht. Dies erschwert es, ein klares Bild über die tatsächliche Nutzung von Plug-in-Hybriden im amerikanischen Markt zu gewinnen.
Anfragen an verschiedene Automobilhersteller, die PHEVs in den USA verkaufen, lieferten gemischte Ergebnisse. Ferrari, Mitsubishi und Volvo reagierten nicht auf Anfragen. Audi gab an, keine entsprechenden Daten zu verfolgen. Bentley konnte die Fragen nicht unterstützen, und Land Rover verfügte nicht über diese Art von Informationen. Ford lehnte eine Stellungnahme ab, und Stellantis teilte mit, keine Kundennutzungsdaten zu veröffentlichen. Dies zeigte zunächst ein unzureichendes Bild.
Unterschiede in der Datenlage
Die unterschiedliche Regulierung in Europa und den USA führt zu einer großen Diskrepanz in der Verfügbarkeit von Daten zum realen Kraftstoffverbrauch und Ladeverhalten von PHEVs. Während Europa durch das OBFCM-System eine detaillierte Überwachung ermöglicht, sind die USA auf freiwillige Angaben der Hersteller angewiesen.
Positive Daten von BMW, Kia und Hyundai
Einige Hersteller in den USA stellten jedoch interessante Daten zur Verfügung, die ein anderes Bild zeichnen als die europäische Studie. BMW lieferte Zahlen, die ein häufiges Laden der PHEVs nahelegen. Ein Sprecher des Unternehmens erklärte:
"BMW PHEV-Kunden laden sehr häufig: 15% laden mindestens einmal täglich, 52% mindestens 2-4 Mal pro Woche. Im Durchschnitt über alle unsere PHEV-Kunden sehen wir, dass sie 0,7 Mal pro Tag laden. Über 95% aller PHEV-Ladevorgänge finden nicht öffentlich statt (= zu Hause)."
Kia führte eine Umfrage unter fast 1000 Besitzern von Elektrofahrzeugen (EVs) und PHEVs durch. Die Ergebnisse zeigten, dass 97% der Kia PHEV- und EV-Besitzer überwiegend zu Hause laden. Die Mehrheit der Kia EV-Besitzer nutzt Level-2-Ladegeräte, während die Mehrheit der Kia PHEV-Besitzer zu Hause Level-1-Ladegeräte (Steckdosen) verwendet. Im Durchschnitt laden PHEV-Besitzer etwa 6,5 Stunden, EV-Besitzer 6,6 Stunden.
Nur 5% der PHEV-Besitzer und 8% der EV-Besitzer laden ihre Fahrzeuge bei der Arbeit. Etwa 6% der PHEV-Besitzer und 16% der EV-Besitzer nutzen routinemäßig öffentliche Ladestationen. Kia-Ingenieure vermuten, dass die meisten dieser Besitzer in Gegenden leben, die keine Lademöglichkeiten zu Hause bieten.
Ladeorte von Kia PHEV-Besitzern
- Zuhause: Fast 97%
- Arbeit: Nur 5%
- Öffentlich: Etwa 6%
Ein Kia-Vertreter gab an, dass 92,8% der PHEV-Besitzer ihre Fahrzeuge tatsächlich laden, während 7,2% dies nicht tun. Obwohl es sich um Umfragedaten handelt, geben diese Zahlen einen wichtigen Einblick.
Hyundai-PHEV-Besitzer laden laut Unternehmensangaben sogar noch häufiger. Eine Umfrage unter 311 PHEV-Besitzern, hauptsächlich Fahrern des Tucson PHEV, ergab:
- Nahezu alle (99%) gaben an, ihre Fahrzeuge zu laden.
- Die Hälfte lädt einmal oder öfter pro Tag, fast 40% mehrmals pro Woche.
- Fast alle Besitzer laden ihre PHEVs während der Ladevorgänge vollständig auf.
- 71% der PHEVs mit längeren Pendelstrecken (über 30 Meilen) gaben an, einmal täglich oder öfter zu laden, um den EV-Modus maximal zu nutzen.
- PHEV-Besitzer mit kürzeren Pendelstrecken (unter 20 Meilen) luden weniger häufig täglich, dafür eher wöchentlich.
Gründe für unterschiedliches Ladeverhalten
Die Daten von BMW, Kia und Hyundai deuten darauf hin, dass die Spekulation, die meisten PHEV-Fahrer würden ihre Fahrzeuge nie laden, nicht auf alle Marken zutrifft. Es ist logisch anzunehmen, dass Käufer die Vorteile der Batteriefunktion nutzen möchten, insbesondere wenn sie zusätzlichen Aufwand für einen Plug-in-Hybrid-Antriebsstrang betreiben. Dies gilt besonders, wenn ein einfacher Zugang zu einer Lademöglichkeit zu Hause besteht.
Ein wichtiger Faktor für das europäische Ergebnis könnte die Art der Incentivierung sein. In vielen europäischen Ländern wurden PHEVs als Firmenwagen stark subventioniert. Oft erhielten die Fahrer Tankkarten für Benzin, aber keine Erstattung für Stromkosten. Dies führte dazu, dass es für sie finanziell vorteilhafter war, mit Benzin zu fahren, anstatt zu laden.
Anreize beeinflussen Verhalten
Die Gestaltung von Anreizen hat einen direkten Einfluss auf das Nutzerverhalten. Wenn das Laden zu Hause mit zusätzlichen Kosten für den Fahrer verbunden ist, während Benzin über eine Firmenkarte "kostenlos" ist, sinkt die Motivation, die elektrische Reichweite zu nutzen.
In den USA hingegen, wo viele PHEV-Käufer im Vorort leben und über Garagen verfügen, scheint das Laden zu Hause die Norm zu sein. Kleinere Batterien in PHEVs benötigen oft nur ein Level-1-Ladegerät (Standardsteckdose) über Nacht, was die Hürde für das Laden senkt. Die geringe Nutzung öffentlicher Ladestationen durch PHEV-Fahrer ist ebenfalls nachvollziehbar, da ein Benzinmotor als Backup vorhanden ist und die Ladezeit für eine kleine Batterie im Vergleich zu einem reinen Elektrofahrzeug weniger attraktiv ist.
Ausblick und zukünftige Datenerhebung
Obwohl die gesammelten Daten von BMW, Kia und Hyundai vielversprechend sind, ist eine definitive Aussage über das Ladeverhalten aller PHEV-Fahrer in den USA ohne Daten von größeren Marken wie Stellantis, Volvo, Ford und Audi weiterhin unmöglich. Die Gewohnheiten der Käufer können je nach Marke variieren. Dennoch zeigen die vorliegenden Ergebnisse einen Trend auf, der der weit verbreiteten Annahme entgegensteht, dass PHEVs selten geladen werden.
Mit der zunehmenden Verbreitung von PHEVs wird die Verfügbarkeit solcher Daten immer wichtiger. Es bleibt zu hoffen, dass in Zukunft mehr Hersteller bereit sein werden, ihre Daten offenzulegen, um ein umfassenderes Bild der tatsächlichen Nutzung dieser Fahrzeuge zu erhalten und politische Entscheidungen sowie Kaufanreize besser zu gestalten.
PHEV-Nutzung in Kalifornien
Studien in Kalifornien, basierend auf OBDII-Daten, zeigten, dass PHEVs etwa doppelt so viel Kraftstoff verbrauchen wie im EPA-Zyklus angegeben. Um 50% der Strecke elektrisch zurückzulegen, benötigten PHEVs eine Reichweite von etwa 54 Meilen. Diese Daten führten zu angepassten Anforderungen für PHEVs im Rahmen des "Advanced Clean Car II"-Programms, bei dem PHEVs eine EPA-Reichweite von 50 Meilen aufweisen müssen, um als Zero-Emission Vehicle (ZEV) zu gelten.




