Yamaha hat einen umfassenden Strategiewechsel in der MotoGP vollzogen. Das Unternehmen setzt nun auf V4-Motoren. Diese Entscheidung markiert das Ende der Ära des Reihenvierzylinders, der Yamaha 13 Fahrer- und Konstrukteurstitel zwischen 2004 und 2021 einbrachte. Der Übergang zum V4-Motor ist eine Reaktion auf die dominierende Bauweise in der Königsklasse des Motorradrennsports.
Wichtige Erkenntnisse
- Yamaha wechselt von Reihenvierzylinder- zu V4-Motoren in der MotoGP.
- Der neue V4-Motor soll bessere Leistung und Fahrbarkeit bieten.
- Max Bartolini, Yamahas technischer Direktor, leitet den Übergang.
- Erste Tests mit Fabio Quartararo zeigten Verbesserungspotenziale, besonders im Bereich des Vorderachsgefühls.
- Der Ressourcenverbrauch für die Entwicklung ist hoch.
Der V4-Motor: Eine neue Ära für Yamaha
Die Einführung eines völlig neuen Motorrads in der MotoGP ist selten. Yamahas YZR-M1 V4 ist das erste komplett neue Bike seit dem Debüt der KTM RC16 vor neun Jahren. Dies unterstreicht die Bedeutung dieses Schrittes. Der Wechsel zum V4 vervollständigt die Dominanz dieses Motorkonzepts in der MotoGP. Alle fünf Hersteller nutzen nun V4-Motoren, meist mit einem Winkel von 90 Grad. Dies zeigt, dass erfolgreiche technische Konzepte schnell von der Konkurrenz übernommen werden.
Fakten zum V4-Motor
- Kürzere Kurbelwellen: V4-Motoren haben kürzere Kurbelwellen und Nockenwellen als Reihenvierzylinder. Dies reduziert Verwindungen und Vibrationen bei hohen Drehzahlen.
- Höhere Leistung: Die Bauweise ermöglicht eine effizientere Leistungsentfaltung.
- Schmalere Bauform: Ein schmalerer Motor erleichtert die Arbeit an Fahrwerk und Aerodynamik.
Der neue M1 ist nicht nur ein Motorwechsel. Es ist ein komplett neues Motorrad. Fahrwerk und Balance wurden neu entwickelt. Ziel ist es, die Reifen über die Renndistanz besser zu nutzen. Max Bartolini, Yamahas technischer Direktor, erläuterte die Gründe für diesen Schritt. Bartolini kam Ende 2023 von Ducati zu Yamaha, wo er zehn Jahre lang Gigi Dall'Ignas rechte Hand war.
"Einen komplett neuen Motor zu entwickeln, ist immer eine Herausforderung. Wir mussten unsere Ressourcen neu verteilen und uns auf das neue Projekt konzentrieren, während wir gleichzeitig das aktuelle Bike weiterentwickelten."
Max Bartolini, Technischer Direktor Yamaha
Herausforderungen in der Entwicklungsphase
Die Entwicklung eines neuen Motorrads während einer laufenden Saison stellt eine große Herausforderung dar. Yamaha musste seine Ressourcen zwischen dem bestehenden Reihenvierzylinder und dem neuen V4-Projekt aufteilen. Bartolini betonte, dass die Ressourcen des Unternehmens nicht unbegrenzt sind. Das Rennsportteam ist kleiner als oft angenommen.
Yamaha entschied sich, den V4 so schnell wie möglich in Rennen einzusetzen. Dies sollte den Entwicklungsprozess beschleunigen. "Es ist immer einfacher, die tatsächliche Leistung während Rennwochenenden zu verstehen", erklärte Bartolini. Bei Rennen herrschen gleiche Bedingungen für alle Fahrer. Dies gilt für Grip, Reifen und Umweltfaktoren. Im Gegensatz dazu variieren diese Bedingungen bei Tests oft.
Hintergrund: Yamahas Rennsport-Historie
Yamaha war der letzte Hersteller, der einen Reihenvierzylinder in der MotoGP einsetzte. Kurioserweise war Yamaha aber der erste Hersteller, der 1982 mit einem Zweitakt-V4-Motor (dem 0W61) in der 500er-Klasse gewann. Dieses Konzept wurde später von Honda und Suzuki kopiert. Die letzten Jahrzehnte der 500er-Klasse waren von Zweitakt-V4-Motoren geprägt, die 36 Fahrer- und Konstrukteurstitel in 18 Jahren gewannen.
Erste Renneinsätze und Fahrereindrücke
Der V4 gab sein Renndebüt in Misano mit Augusto Fernandez. Er zeigte eine vielversprechende Leistung. Fernandez war 1,2 Sekunden langsamer als die Pole-Position und 1,4 Sekunden langsamer als die schnellste Rennrunde. Bartolini war mit dem Ergebnis zufrieden. "Das Wochenende lief besser als erwartet. Wir rechneten mit mehr Problemen und einer geringeren Geschwindigkeit", sagte er.
Der Motor befindet sich noch in der Entwicklung. Die maximale Drehzahl wird noch nicht genutzt. Yamaha plant, das Bike auch in Sepang und Valencia einzusetzen. Diese drei Wildcard-Rennen dienen als wichtige Testläufe unter realen Bedingungen. Sie sollen den Entwicklungsprozess beschleunigen.
Fabio Quartararos erste Eindrücke
Fabio Quartararo testete den V4 nach dem Rennen in Misano. Seine Reaktion war gemischt. Bartolini war davon nicht überrascht. "Die guten und schlechten Punkte entsprachen unseren Erwartungen", erklärte er. Quartararo war etwa eine Sekunde langsamer als die Spitze. Die Daten zeigten klare Bereiche für Verbesserungen. Besonders das Gefühl für das Vorderrad ist noch nicht optimal.
"Ich verstehe, dass dies für Fabio schwierig ist, denn er will um den Sieg kämpfen."
Max Bartolini über Fabio Quartararos Erwartungen
Quartararo nutzt das Vorderrad viel stärker als andere Fahrer wie Fernandez oder Andrea Dovizioso. Daher war Bartolini auf seine Kritik vorbereitet. Misano ist eine Strecke, die das Vorderrad stark beansprucht, mit viel Bremsen aus hoher Geschwindigkeit und kombinierten Kräften auf den Reifen.
Technische Gründe für den V4-Wechsel
Der Wechsel zum V4-Konzept hat mehrere technische Gründe. Einer der Hauptpunkte ist die Aerodynamik. Ein schmalerer V4-Motor ermöglicht mehr Spielraum für aerodynamische Verbesserungen. Obwohl ein Reihenvierzylinder die gleiche Leistung erzielen könnte, sind die Nachteile in anderen Bereichen erheblich.
- Fahrbarkeit: Der Reihenvierzylinder der M1 hatte früher einen sehr sanften Motor. Heute ist es jedoch schwierig, eine Drehmomentkurve zu erzeugen, die der eines V4 entspricht.
- Gewicht und Komplexität: Ein Reihenvierzylinder benötigt eine Ausgleichswelle, um Vibrationen zu reduzieren. Dies macht den Motor komplexer und schwerer.
- Schwerpunkt: Ein breiterer Reihenvierzylinder erfordert eine höhere Motorposition im Fahrwerk. Dies beeinflusst den Schwerpunkt und die Position des Schwingendrehpunkts.
Bartolini betonte, dass die Gewichtsverteilung und das Fahrgefühl entscheidend sind. Mit dem aktuellen Reihenvierzylinder kann mehr Last auf den Hinterreifen gelegt werden. Dies führt jedoch dazu, dass das Vorderrad zu weit unter den Fahrer rutscht. Der V4 bietet hier Vorteile. "Ich bin nicht sicher, ob man einen funktionierenden Reihenvierzylinder bauen könnte, ohne das Konzept komplett zu ändern", so Bartolini.
Zukunftsaussichten und Reifenwechsel
Im Jahr 2027 wechselt die MotoGP von Michelin zu Pirelli als Reifenlieferanten. Bartolini erwartet nicht, dass die Pirelli-Reifen in eine entgegengesetzte Richtung zu den Michelin-Reifen funktionieren werden. Sollte dies der Fall sein, hätte Yamaha immer noch den Reihenvierzylinder als Option. Bei einem hypothetischen Wechsel zu Bridgestone-Reifen wäre der Reihenvierzylinder wegen deren Vorderreifen-Fokus sehr gut geeignet.
Bartolini brachte viel V4-Know-how von Ducati mit. Er versucht, seine Erfahrungen bei Yamaha zu teilen. "Man muss die Leute dazu bringen, zu verstehen, was man meint und in die gleiche Richtung zu gehen. Das braucht Zeit", erklärte er. Yamaha hat eigene Stärken. Bartolini möchte diese mit seinen Erfahrungen kombinieren, um ein besseres Gesamtpaket zu schaffen.
Entwicklungsteam und Standorte
- Iwata (Japan): Hauptsitz des Rennsportteams.
- Mailand (Italien): Europäische Ingenieursbasis, zuständig für Aerodynamik, Motorbau und Motorentwicklung.
- Zusammenarbeit: Max Bartolini und Projektleiter Kazuhiro Masuda bilden die Brücke zwischen dem japanischen und italienischen Team.
Luca Marmorini, ein ehemaliger Ferrari Formel 1-Motorenentwickler, arbeitet als Berater für Yamaha. Er ist ein wichtiger Partner für das Motorenteam. Yamaha nutzt noch keinen virtuellen Rennstall, aber die Daten werden weltweit geteilt. Die Zeitverschiebung zwischen Mailand und Iwata erfordert eine angepasste Arbeitsweise. Ein Teil des Teams arbeitet in der ersten Tageshälfte, der andere in der zweiten.
Ausblick auf 2026 und darüber hinaus
Für den Start der Saison 2026 hofft Yamaha auf weitere Fortschritte. "Wir suchen noch nach Schritten und wissen nicht, ob wir diese schnell genug machen können", sagte Bartolini. Es gibt viele Ideen, vielleicht zu viele für die kurze Zeitspanne. Ziel ist es, beim Großen Preis von Malaysia in Sepang näher an die Spitze heranzukommen. Zwei weitere Wildcard-Rennen mit Augusto Fernandez und zusätzliche Tests sind geplant.
Die Zusammenarbeit der Hersteller bezüglich der Pirelli-Reifen für 2027 ist eng. Der erste Test verlief besser als erwartet. Bartolini hofft, dass die Pirelli-Reifen benutzerfreundlicher sein werden. Dies könnte den Fahrern helfen, näher ans Limit zu gehen.




