Drei neue Bücher untersuchen die umfassenden Auswirkungen des Automobils auf Städte, Gesundheit und Gesellschaft. Sie argumentieren, dass die weitreichenden Kosten des Autofahrens oft übersehen werden. Diese Kosten umfassen Umweltbelastungen, Gesundheitsrisiken und die Gestaltung unserer Lebensräume. Die Autoren fordern eine kritische Neubewertung der Rolle des Autos im modernen Leben, insbesondere in Nordamerika und Europa.
Wichtige Erkenntnisse
- Autos verursachen jährlich über 1,2 Millionen Verkehrstote weltweit.
- Der Verkehr ist der größte und am schnellsten wachsende Verursacher von Treibhausgasen in den USA.
- Verkehrslärm ist mit Demenz verbunden, und häufiges Autofahren erhöht das Risiko für Übergewicht.
- Elektrofahrzeuge allein lösen die Klimakrise nicht vollständig.
- Das Phänomen der „Motonormativität“ erschwert die Vorstellung alternativer Mobilitätskonzepte.
Die unsichtbaren Kosten des Automobils
Der verstorbene Schriftsteller David Foster Wallace begann 2005 seine Rede am Kenyon College mit einer Anekdote. Zwei junge Fische fragen einen älteren Fisch nach dem Wasser. Die jungen Fische verstehen nicht, was Wasser ist, weil es so allgegenwärtig ist. Dieses Bild nutzen Befürworter einer Reduzierung des Autoverkehrs. Sie meinen, die negativen Auswirkungen von Autos seien so normal geworden, dass viele Menschen sie nicht mehr wahrnehmen.
Autos verstopfen Straßen, verschmutzen die Luft und gefährden Fußgänger und Radfahrer. In vielen wohlhabenden Ländern sind Fahrzeuge so tief in den Alltag integriert, dass es schwerfällt, sich ein Leben mit weniger Autos vorzustellen. Eine wachsende Bewegung aus Aktivisten und Wissenschaftlern versucht dies zu ändern.
Faktencheck
- Jährliche Verkehrstote: Weltweit sterben etwa 1,2 Millionen Menschen bei Verkehrsunfällen.
- Verkehrstote in den USA: Fast 40.000 Todesfälle pro Jahr. Die USA haben eine der höchsten Sterblichkeitsraten pro Kopf im Vergleich zu anderen Industrieländern.
- Treibhausgasemissionen: Der Verkehr ist in Amerika der größte und am schnellsten wachsende Verursacher von Treibhausgasen.
Drei neue Bücher beleuchten das Problem
Drei aktuelle Bücher greifen diese Thematik auf. Sie sind Teil einer größeren Anstrengung, die Gesellschaft – insbesondere in Nordamerika und Europa – dazu anzuregen, ihre Beziehung zum Automobil zu überdenken. Diese Werke bieten unterschiedliche Perspektiven auf die weitreichenden Folgen der Autoabhängigkeit.
„Saving Ourselves from Big Car“
David Obst, ein ehemaliger Literaturagent und Filmproduzent, veröffentlichte „Saving Ourselves from Big Car“. Dieses Buch ist das emotionalste der drei. Es beschuldigt die Automobilindustrie zahlreicher Übel, darunter sogar die Einleitung des Zweiten Weltkriegs. Der Autor argumentiert, dass die Branche über Jahrzehnte hinweg die Gesellschaft negativ beeinflusst hat.
„Roadkill: Unveiling the True Cost of Our Toxic Relationship With Cars“
Henrietta Moore und Arthur Kay verfassten „Roadkill“. Ihr Ansatz ist philosophischer Natur. Sie berufen sich auf Denker wie Kant und Rawls. Sie behaupten, dass Kraftfahrzeuge die gesellschaftliche Freiheit einschränken. Dies gelte besonders für Menschen, die keine Autos nutzen. Das Buch beleuchtet, wie die Dominanz des Autos die Lebensqualität vieler Menschen mindert.
„Wir alle wissen, dass Autos schlecht für uns und den Planeten sind“, schreiben Moore und Kay in „Roadkill“.
„Life After Cars: Freeing Ourselves from the Tyranny of the Automobile“
Sarah Goodyear, Doug Gordon und Aaron Naparstek schrieben „Life After Cars“. Dieses Buch ist das zugänglichste und umfassendste. Es fasst eine Fülle von Forschungsergebnissen zusammen. Diese Forschung zeigt, wie Autos das menschliche Leben und die Umwelt prägen. Die Autoren untersuchen die vielfältigen Auswirkungen auf den Alltag und die Ökosysteme.
Negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit
Die Autoren haben reichlich Material für ihre Argumente. Jedes Jahr sterben weltweit etwa 1,2 Millionen Menschen bei Verkehrsunfällen. Allein in den Vereinigten Staaten sind es fast 40.000. Die USA schneiden bei der Verkehrssicherheit im Vergleich zu anderen Industrieländern besonders schlecht ab. Die Pro-Kopf-Sterblichkeitsrate ist dort um ein Vielfaches höher.
Der Verkehr ist Amerikas größter und am schnellsten wachsender Verursacher von Treibhausgasen. Die meisten dieser Emissionen stammen von Pkw und Lkw. Der Klimawandel ist nur eine der ökologischen Schäden, die durch das Autofahren entstehen. Reifenabrieb verschmutzt Gewässer und hat Fischpopulationen dezimiert. Der Bau von Straßen stört zudem die Wanderungen von Wildtieren.
Hintergrundinformationen
Schon in den 1960er Jahren führte Ralph Naders Buch „Unsafe at Any Speed“ zur Gründung der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA). Damals forderten Reformer sicherere Autos, nicht weniger Autos. Über Jahrzehnte hinweg konzentrierte sich die Umweltbewegung auf den Übergang zu Elektroautos, anstatt sauberere Verkehrsmittel wie Busse oder Fahrräder zu fördern.
Gesundheitliche und soziale Folgen
Autos sind auch für die menschliche Gesundheit nicht gut. Verkehrslärm wurde mit einem erhöhten Demenzrisiko in Verbindung gebracht. Menschen, die viel Auto fahren, sind zudem anfälliger für Übergewicht. Städte, die für Autos konzipiert wurden, fördern weniger nachbarschaftliche Beziehungen. Sie sind selten Orte, an denen man sich gerne aufhält. Urlauber schwärmen selten von einer Stadt, weil es dort so einfach war, einen Parkplatz zu finden.
Diese Kritikpunkte sind in der Online-Community von Befürwortern einer weniger auto-zentrierten Welt bekannt. Dazu gehören Hörer des Podcasts „The War on Cars“, der von Goodyear und Gordon moderiert wird. Auf Reddit haben sich fast eine halbe Million Menschen einer Subreddit-Gruppe angeschlossen. Diese Gruppe bietet ein Forum, um die „schädlichen Auswirkungen der Autodominanz auf Gemeinschaften, Umwelt, Sicherheit und öffentliche Gesundheit“ anzuprangern. In den letzten Jahren sind auto-skeptische Ansichten auch in großen Medien wie dem New Yorker, der New York Times und dem Atlantic erschienen.
Warum die Anti-Auto-Diskussion an Bedeutung gewinnt
Mehrere Faktoren tragen zum Aufstieg der Anti-Auto-Diskussion bei. Immer mehr Menschen erkennen, dass Elektrofahrzeuge allein die Klimakrise nicht lösen können. Selbst optimistische Prognosen zur Einführung von Elektrofahrzeugen würden einen potenziell katastrophalen Anstieg der globalen Temperaturen um 2°C bis 2100 nicht verhindern. Zudem wird die Bedrohung durch Autos, insbesondere große SUVs und Lastwagen, für Menschen außerhalb des Fahrzeugs immer deutlicher. Die Zahl der Todesfälle von Fußgängern und Radfahrern in den USA erreichte kürzlich Höchststände seit 40 Jahren. Dies kehrt jahrzehntelange Fortschritte um.
Möglicherweise hat auch die Zunahme internationaler Reisen in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass mehr Menschen die Vorteile weniger auto-zentrierter Städte erleben konnten. London, Paris und viele andere europäische Städte haben den Zugang für Fahrzeuge in den letzten Jahren stark eingeschränkt. Einige dieser Städte haben Autos von Anfang an nicht ihre gebaute Umwelt dominieren lassen.
Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
Es ist eine Sache, urbane Aktivisten gegen das Automobil zu mobilisieren. Es ist eine andere, die breite Öffentlichkeit für diese Bewegung zu gewinnen. Die meisten Menschen in den USA nutzen Autos als primäres Transportmittel. Es ist unklar, ob der Durchschnittsfahrer moralische Bedenken hat, wenn er den Motor startet. Wahrscheinlich nimmt er die gesellschaftlichen Kosten, die er verursacht, nicht einmal wahr, ähnlich wie Wallaces Fische das Wasser nicht bemerkten. Im Präsidentschaftswahlkampf 2024 sprachen Donald Trump und Kamala Harris beide über die Steigerung der Automobilproduktion in Detroit, nicht über deren Einschränkung.
„Motonormativität“ und fehlende Alternativen
Ein möglicher Grund für die breite Akzeptanz von Autos ist das Fehlen von Alternativen. Für Menschen, die in ländlichen Gebieten oder in Vorstädten leben, sind Autos oft die einzige praktikable Option. Bewohner sehen die Umwelt- und menschlichen Kosten des Fahrens möglicherweise als unvermeidbaren Preis für grundlegende Mobilität an.
Tara Goddard, Professorin für Stadtplanung an der Texas A&M University, dokumentierte das Phänomen der „Motonormativität“. Dies wird auch als „Autohirn“ bezeichnet. Sie definiert es als eine „Unfähigkeit, über die wörtliche und figurative Windschutzscheibe hinauszuschauen und andere Vorgehensweisen zu erkennen“. Journalisten tragen ebenfalls eine Mitschuld, da sie oft mehr über Gewaltverbrechen als über Autounfälle berichten. Dabei ist ein Amerikaner etwa doppelt so wahrscheinlich Opfer eines Verkehrsunfalls wie eines Mordes.
Autohersteller haben es weitgehend geschafft, die Verantwortung für die Straßenverkehrssicherheitskrise in den USA zu umgehen. Ihre Marketingstrategien vermitteln oft den Eindruck, dass der Betrieb eines Elektrofahrzeugs die Umwelt verbessert, anstatt lediglich Schäden zu mindern.
Strategien für einen Wandel
Eine offene Frage in allen drei Büchern betrifft die Strategien, die Herzen und Köpfe gewinnen können. Die Autoren von „Life After Cars“ beschreiben, was hartnäckige Bürger und engagierte politische Führer in einer einzigen Stadt erreichen können. Beispiele sind Gent in Belgien oder Emeryville in Kalifornien. Menschen, die die Vorteile sichererer Straßen oder in Außengastronomie umgewandelter Parkplätze erleben, unterstützen wahrscheinlich ähnliche Maßnahmen an anderen Orten.
In den USA werden viele der Politikbereiche, die die Dominanz des Automobils untermauern, auf Landes- oder Bundesebene festgelegt. Dazu gehören verschwenderische Autobahnerweiterungen, die Staus nicht beseitigen, und Autoverkehrssicherheitsvorschriften, die Fußgänger und Radfahrer nicht berücksichtigen. Selbst die cleversten Projekte des taktischen Urbanismus können die nationale Politik nicht ändern. Eine breitere Koalition für Veränderungen, die auch Vorstädte und ländliche Gebiete erreicht, wäre notwendig.
Eine solche Bewegung existiert bisher nicht. Auch demografische Verschiebungen werden die Arbeit der Reformer nicht allein erledigen. Umfragen deuten zwar darauf hin, dass Mitglieder der Generation Z weniger begeistert vom Autofahren sind als ihre Vorgänger. Doch vor einem Jahrzehnt sagten Meinungsforscher dasselbe über Millennials. Diese kauften jedoch genauso oft Autos wie frühere Generationen, sobald sie Kinder bekamen und größere Häuser erwarben. Die Gesellschaft vom Automobil zu entkoppeln, wird eine Herkulesaufgabe sein.
„Autos ruinieren alles“, warnt ein Abschnitt in „Life After Cars“. Wenn das zutrifft, ist der erste Schritt zur Umkehrung des Schadens, mehr Menschen dazu zu bringen, das Problem zu erkennen.




