Das Europäische Parlament hat eine weitreichende Reform der EU-Führerscheinregeln beschlossen. Künftig sollen Fahrverbote, die in einem Mitgliedsland verhängt werden, in der gesamten Europäischen Union gelten. Gleichzeitig wird der Weg für den digitalen Führerschein geebnet und die Vorschriften für Fahranfänger verschärft.
Die wichtigsten Änderungen
- Fahrverbote für schwere Verkehrsdelikte werden in der gesamten EU durchgesetzt.
- Ein digitaler Führerschein, abrufbar auf dem Smartphone, wird eingeführt.
- Für Fahranfänger gilt eine zweijährige Probezeit mit strengeren Strafen.
- Das Mindestalter für Lkw- und Busfahrer wird gesenkt, um dem Fahrermangel entgegenzuwirken.
Europaweite Konsequenzen für Verkehrsdelikte
Bislang konnten Autofahrer, denen in einem EU-Land der Führerschein entzogen wurde, oft in anderen Mitgliedsstaaten unbehelligt weiterfahren. Diese Lücke im System führte dazu, dass rund 40 Prozent der im Ausland begangenen Verkehrsdelikte ohne Konsequenzen blieben. Mit der neuen Gesetzgebung soll sich das grundlegend ändern.
Verhängt ein EU-Staat ein Fahrverbot wegen eines schweren Vergehens, wird diese Entscheidung künftig in der gesamten Union anerkannt und durchgesetzt. Das ausstellende Land der Fahrerlaubnis wird informiert und hat dann 15 Tage Zeit, den Führerschein offiziell einzuziehen.
Welche Vergehen sind betroffen?
Die EU-weite Sperre gilt für schwere Vergehen, die die Verkehrssicherheit gefährden. Dazu gehören:
- Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss
- Erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen (mindestens 50 km/h über dem Tempolimit)
- Verursachung eines Unfalls mit Todesfolge oder schweren Verletzungen
- Nutzung von Mobiltelefonen oder anderen ablenkenden Geräten am Steuer
Allerdings gibt es Ausnahmen. Ein Land kann die Anerkennung eines Fahrverbots verweigern, wenn das zugrunde liegende Vergehen nach nationalem Recht nicht zu einem Führerscheinentzug führen würde. Dies betrifft beispielsweise die unterschiedlichen Promillegrenzen in den Mitgliedsstaaten.
Der digitale Führerschein kommt
Eine weitere zentrale Neuerung ist die Einführung eines digitalen Führerscheins. Autofahrer können ihre Fahrerlaubnis künftig bequem auf dem Smartphone speichern und bei Kontrollen vorzeigen. Dies soll den Verwaltungsaufwand reduzieren und Fälschungen erschweren.
Obwohl die digitale Version zum Standard werden soll, bleibt die Möglichkeit bestehen, auf Wunsch weiterhin eine physische Karte im Scheckkartenformat zu erhalten. Die Gültigkeit der Führerscheine wird ebenfalls neu geregelt: Für Pkw und Motorräder beträgt sie 15 Jahre, für Lkw und Busse fünf Jahre.
Hintergrund: Vision Zero
Die neuen Vorschriften sind Teil der EU-Strategie „Vision Zero“. Das Ziel ist, die Zahl der Verkehrstoten in der Europäischen Union bis 2030 zu halbieren. Im vergangenen Jahr starben rund 19.800 Menschen auf den Straßen der EU, was einem Rückgang von nur drei Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die neuen Maßnahmen sollen helfen, dieses Ziel doch noch zu erreichen.
Strengere Regeln für Fahranfänger
Besonderes Augenmerk legt die Reform auf Fahranfänger. Für sie wird eine mindestens zweijährige Probezeit eingeführt. In diesem Zeitraum gelten strengere Sanktionen bei bestimmten Vergehen wie Alkohol am Steuer oder der Nichtbenutzung von Sicherheitsgurten und Kindersitzen.
Zudem wird die Möglichkeit des begleiteten Fahrens ab 17 Jahren europaweit verankert. Jugendliche können ihre Fahrprüfung bereits mit 17 ablegen, dürfen bis zu ihrem 18. Geburtstag aber nur in Begleitung eines erfahrenen Fahrers am Steuer sitzen.
Debatte um junge Berufskraftfahrer
Um dem akuten Mangel an Berufskraftfahrern in Europa zu begegnen, senkt das neue Gesetz das Mindestalter für den Erwerb entsprechender Führerscheine. Künftig kann die Fahrerlaubnis für Lkw bereits mit 18 Jahren und für Busse mit 21 Jahren erworben werden.
„Der Mangel an Berufskraftfahrern wird nicht durch die Senkung von Sicherheitsstandards gelöst, sondern durch die Verbesserung von Gehältern und Arbeitsbedingungen.“
Diese Maßnahme stieß im Parlament auf Kritik. Einige Abgeordnete äußerten Sicherheitsbedenken, da jüngere Fahrer statistisch häufiger in schwere Unfälle verwickelt seien. Kritiker fordern stattdessen, die Arbeitsbedingungen in der Branche attraktiver zu gestalten, um mehr Personal zu gewinnen.
Die neuen Gesetze wurden bereits von den EU-Mitgliedstaaten gebilligt und müssen nun innerhalb von drei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden. Sie stellen einen bedeutenden Schritt zur Harmonisierung der Verkehrsregeln und zur Erhöhung der Sicherheit auf Europas Straßen dar.




