Die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA hat die Einführung neuer, strengerer Sicherheitsvorschriften für Fahrzeuge verschoben. Die Regeln, die unter anderem fortschrittliche Notbremsassistenten zur Fußgängererkennung vorschreiben, werden nun erst 2027 in Kraft treten. Die Entscheidung folgt auf Anträge von Automobilherstellern.
Wichtige Fakten
- Die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) verschiebt die neuen Anforderungen für eine Fünf-Sterne-Sicherheitsbewertung auf das Jahr 2027.
- Die neuen Regeln umfassen die obligatorische Einführung von Totwinkel-Assistenten, Spurhalteassistenten und automatischen Notbremssystemen (AEB) mit Fußgängererkennung.
- Automobilhersteller hatten um die Verschiebung gebeten und gaben an, dass notwendige Testverfahren von der vorherigen Regierung nicht veröffentlicht wurden.
- Unabhängig davon werden auch andere Sicherheitsinitiativen und städtische Infrastrukturprojekte zur Verbesserung der Fußgängersicherheit von der aktuellen US-Regierung überprüft oder gestrichen.
Verschiebung der Fünf-Sterne-Sicherheitsanforderungen
Die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) gab bekannt, dass die Aktualisierung ihrer Kriterien für die begehrte Fünf-Sterne-Sicherheitsbewertung verschoben wird. Ursprünglich sollten die neuen Vorschriften bereits für das Modelljahr 2026 gelten und in diesem Monat eingeführt werden.
Die überarbeiteten Standards sehen vor, dass Fahrzeuge nur dann die höchste Bewertung erhalten können, wenn sie mit modernen Sicherheitstechnologien ausgestattet sind. Dazu gehören Systeme zur Überwachung des toten Winkels, aktive Spurhalteassistenten und, was als besonders wichtig gilt, automatische Notbremssysteme (AEB), die Fußgänger erkennen und eine Kollision selbstständig verhindern können.
Laut der Ankündigung der Behörde wird die Implementierung dieser strengeren Regeln nun auf das Jahr 2027 verschoben. Fahrzeuge ohne diese Assistenzsysteme dürfen zwar weiterhin verkauft werden, können jedoch nicht mehr die maximale Sicherheitsbewertung von fünf Sternen erreichen.
Hintergrund: Das Fünf-Sterne-Programm
Das New Car Assessment Program (NCAP) der NHTSA, besser bekannt als das Fünf-Sterne-Sicherheitsprogramm, wurde 1978 ins Leben gerufen. Es bietet Verbrauchern Informationen über die Crash-Sicherheit und die Ausstattung mit Sicherheitstechnologien neuer Fahrzeuge. Eine hohe Bewertung ist für viele Hersteller ein wichtiges Verkaufsargument.
Gründe für die Verzögerung
Die Entscheidung zur Verschiebung wurde auf Antrag von Automobilherstellern getroffen. Laut Berichten argumentierten die Unternehmen, dass die vorherige Administration unter Präsident Trump es versäumt habe, die notwendigen Testverfahren für die Fußgängererkennung zu veröffentlichen.
Ohne diese detaillierten Prüfprotokolle sei es für die Hersteller nicht möglich, ihre Fahrzeuge gemäß den neuen Anforderungen zu zertifizieren. Sie benötigen klare Vorgaben, um sicherzustellen, dass ihre Systeme die Standards der NHTSA erfüllen. Diese fehlende Richtlinie wird als Hauptgrund für die Notwendigkeit der Verzögerung angeführt.
Die Hersteller argumentieren, dass es notwendig ist, die Bewertungskriterien zu kennen, bevor ein Fahrzeug entwickelt und getestet werden kann, um die neuen Anforderungen zu erfüllen.
Weitere Anpassungen bei Sicherheitsstandards
Diese Verschiebung ist nicht die einzige Anpassung bei den Sicherheitsvorschriften. Eine separate Anforderung sieht vor, dass bis 2029 alle neuen Personenkraftwagen mit AEB-Systemen ausgestattet sein müssen, die in der Lage sind, ein Fahrzeug bei Geschwindigkeiten von bis zu 100 km/h (ca. 62 mph) vollständig zum Stehen zu bringen.
Auch hier baten die Hersteller um eine Fristverlängerung, da sie diesen Standard als technisch sehr anspruchsvoll bezeichneten. Die NHTSA stimmte vor einigen Wochen zu und gewährte der Industrie zwei zusätzliche Jahre Zeit, um diese fortschrittlichen Systeme zu entwickeln und zu implementieren.
Zunehmende Gefahr für Fußgänger
Daten zeigen, dass die Vereinigten Staaten eines der wenigen Industrieländer sind, in denen die Zahl der Verkehrstoten, insbesondere unter Fußgängern, in den letzten Jahren gestiegen ist. Initiativen wie „Vision Zero“, die in vielen Städten eingeführt wurden, zielen darauf ab, diese Entwicklung umzukehren.
Überprüfung von Infrastrukturprojekten
Parallel zur Verzögerung der Fahrzeugsicherheitsregeln hat die aktuelle US-Regierung damit begonnen, bereits genehmigte Fördergelder für städtische Infrastrukturprojekte zu überprüfen und teilweise zurückzuziehen. Einem Bericht von Bloomberg zufolge sind davon vor allem Projekte betroffen, die die Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer erhöhen sollen.
Diese Projekte umfassen den Bau von sicheren Fußgängerwegen, die Einrichtung von Fahrradspuren und andere Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung. Die Begründung für die Streichung der Mittel ist oft, dass diese Maßnahmen den Verkehrsfluss für Kraftfahrzeuge verlangsamen oder die Fahrbahnkapazität reduzieren könnten.
Beispiele für gestrichene Projekte
Mehrere Städte sind von diesen Entscheidungen betroffen. Die gestrichenen Projekte wurden oft als „feindlich gegenüber Kraftfahrzeugen“ eingestuft. Zu den bekannten Fällen gehören:
- San Diego: Ein Projekt wurde gestoppt, weil es laut Begründung „die Fahrbahnkapazität reduziert“ und eine „feindliche Straßenumgestaltung“ darstellt.
- Fairfield, Alabama: Auch hier wurde ein Projekt zur Verbesserung der Sicherheit als „feindlich“ gegenüber dem Autoverkehr bewertet.
- Boston: Ein Vorhaben zur Erhöhung der Sicherheit wurde mit der Begründung abgelehnt, es könnte „die Fahrzeugkapazität und -geschwindigkeit beeinträchtigen“.
Bemerkenswert ist, dass es sich dabei nicht um neue Anträge handelt. In einigen Fällen, wie bei einem Projekt in Albuquerque, wurden Fördergelder zurückgefordert, die bereits im Jahr 2022 bewilligt worden waren. Kritiker sehen darin ein klares Zeichen, dass die Priorität auf der Maximierung des Verkehrsflusses für Autos liegt, selbst wenn dies auf Kosten der Sicherheit von ungeschützten Verkehrsteilnehmern geht.
Ausblick auf die zukünftige Verkehrssicherheit
Die Kombination aus verzögerten Fahrzeugsicherheitsstandards und der Streichung von Infrastrukturprojekten wirft Fragen über die zukünftige Ausrichtung der US-Verkehrspolitik auf. Während technologische Fortschritte wie automatische Notbremssysteme das Potenzial haben, die Zahl der Unfälle drastisch zu reduzieren, hängt ihre Wirksamkeit von einer konsequenten Umsetzung durch die Regulierungsbehörden ab.
Gleichzeitig betonen Stadtplaner und Sicherheitsexperten, dass sichere Infrastruktur eine ebenso wichtige Rolle spielt. Die aktuellen Entwicklungen deuten auf einen Konflikt zwischen der Priorisierung des motorisierten Verkehrs und dem Schutz von Fußgängern und Radfahrern hin. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die NHTSA die verschobenen Regeln wie geplant umsetzen wird und wie sich die Verkehrssicherheit auf Amerikas Straßen weiterentwickelt.