Menschen mit Behinderungen könnten von der Umstellung auf Elektroautos ausgeschlossen werden. Das liegt an mangelnder Barrierefreiheit bei öffentlichen Ladestationen. Kampagnen fordern dringend neue Standards für eine einfache Nutzung.
Wichtige Punkte
- Ladestationen sind oft für Rollstuhlfahrer unzugänglich.
- Touchscreens und schwere Kabel stellen Hindernisse dar.
- Ein Gesetzesentwurf soll nun verbindliche Standards einführen.
- Rund 1,35 Millionen Menschen mit Behinderungen fahren Auto.
Herausforderungen für behinderte Fahrer
Die frühere Paralympics-Meisterin Tanni Grey-Thompson hat auf die gravierenden Probleme hingewiesen. Sie selbst kann Elektroautos nicht nutzen, weil die Ladepunkte für sie unzugänglich sind. Grey-Thompson, die elf Goldmedaillen bei fünf Paralympischen Spielen gewann, ist heute Mitglied des House of Lords. Dort setzt sie sich regelmäßig für bessere Transportmöglichkeiten ein. Erst im vergangenen Jahr musste sie einen Zug kriechend verlassen, weil ihr niemand half.
„Menschen mit Behinderungen wurden komplett vergessen. Ich habe mehrmals versucht, auf ein Elektroauto umzusteigen. Es war sehr schwierig“, sagte Lady Grey-Thompson. „Die Regierung vergisst uns einfach, weil nicht viele Menschen mit Behinderungen in Machtpositionen sind.“
Die Zahl der öffentlichen Ladestationen in Deutschland steigt stetig. Im Jahr bis Juli wurden 17.400 neue Punkte installiert. Das entspricht zwei Ladepunkten pro Stunde. Trotz dieser schnellen Entwicklung fehlen jedoch einheitliche Standards für die Barrierefreiheit.
Konkrete Barrieren im Alltag
Viele Ladestationen sind für Menschen mit Gehbehinderungen oder Rollstuhlfahrer nicht erreichbar. Hohe Bordsteine oder Schotterflächen machen den Zugang oft unmöglich. Auch die Gestaltung der Ladestationen selbst stellt ein Problem dar. Touchscreens sind manchmal zu hoch angebracht oder schlecht ausgerichtet, wenn man im Rollstuhl sitzt. Ein weiteres Hindernis sind die oft schweren Ladekabel, die nicht jeder problemlos handhaben kann.
Fakten zur Barrierefreiheit
- Nur 2,3 % der Ladestationen erfüllen die Kriterien des British Standards Institute.
- Es gibt bis zu 1,35 Millionen behinderte Autofahrer in Deutschland.
- Etwa 390.000 davon können ihr Elektroauto voraussichtlich nicht zu Hause laden.
Politische Forderungen nach Standards
Am Mittwoch hat das House of Lords eine wichtige Änderung am Regierungsentwurf für das Planungs- und Infrastrukturgesetz verabschiedet. Diese Änderung würde die Befugnis geben, Barrierefreiheitsstandards für öffentliche Ladestationen durchzusetzen. Dies ist ein entscheidender Schritt, um sicherzustellen, dass zukünftige Installationen für alle zugänglich sind.
Vicky Edmonds, die Geschäftsführerin der Electric Vehicle Association England (EVA England), betonte die Dringlichkeit der Situation. Sie warnt davor, dass Millionen von Fahrern vom Übergang zu Elektrofahrzeugen ausgeschlossen werden könnten. Fast die Hälfte der E-Auto-Fahrer hat bereits Probleme mit der Zugänglichkeit öffentlicher Ladestationen.
„Wir riskieren derzeit, dass Millionen von Fahrern vom Übergang zu Elektrofahrzeugen ausgeschlossen werden“, sagte Vicky Edmonds. „Die Regierung muss dringend ihren überarbeiteten Barrierefreiheitsstandard veröffentlichen und die notwendigen Befugnisse schaffen, um diesen Standard verbindlich zu machen.“
Hintergrund: Motability Foundation
Die Motability Foundation, eine Wohltätigkeitsorganisation, die Fahrzeuge für Menschen mit Behinderungen subventioniert, hat eine Studie in Auftrag gegeben. Diese Studie zeigt, dass bis zu 1,35 Millionen Menschen mit Behinderungen Auto fahren. Davon können schätzungsweise 390.000 ihr Elektrofahrzeug nicht zu Hause laden. Sie sind auf öffentliche Ladestationen angewiesen.
Langfristige Auswirkungen und Appelle der Industrie
Jamie Borwick, ein konservativer Peer, der den Änderungsantrag eingebracht hatte, warnte vor den langfristigen Folgen ungeeigneter Installationen. Er betonte, dass solche Ladepunkte über Jahre hinweg bestehen bleiben würden. Das würde behinderten Fahrern nur wenige Optionen lassen, besonders nach 2035, wenn der Verkauf neuer Benzin- und Dieselfahrzeuge eingestellt wird.
„Wir werden eine ganze Reihe unzugänglicher Ladestationen aufbauen“, sagte Lord Borwick. Er fügte hinzu: „Man muss von Anfang an für Behinderungen planen.“
Nigel Fletcher, der Geschäftsführer der Motability Foundation, forderte ebenfalls, dass die Ladestandards obligatorisch werden müssen. Er betonte die Verantwortung aller Anbieter von öffentlichen Ladestationen, eine zugängliche Infrastruktur zu gewährleisten.
Zusammenarbeit und praktische Herausforderungen
Vicky Read, die Geschäftsführerin der Lobbygruppe ChargeUK, bestätigte, dass kein Fahrer beim Übergang zu Elektrofahrzeugen zurückgelassen werden sollte. Dies schließt ausdrücklich Fahrer mit Zugänglichkeitsbedürfnissen ein. Ladepunktbetreiber arbeiten bereits mit lokalen Behörden, privaten Vermietern und Herstellern von Ladeequipment zusammen, um die Bedürfnisse behinderter Fahrer zu berücksichtigen. Dabei stoßen sie jedoch oft auf praktische Herausforderungen.
Ein Sprecher des Verkehrsministeriums versicherte, dass die Regierung sich verpflichtet fühle, behinderten Fahrern das einfache Laden ihrer Elektroautos zu ermöglichen. Aus diesem Grund wurde eine Überprüfung der Zugänglichkeitsstandards für Ladestationen in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse dieser Überprüfung sollen bald veröffentlicht werden. Die Zusammenarbeit mit der Industrie zur weiteren Verbesserung des Zugangs zu Ladestationen für behinderte Fahrer werde fortgesetzt.
Es bleibt abzuwarten, wie schnell die neuen Standards umgesetzt werden und ob sie tatsächlich eine umfassende Barrierefreiheit gewährleisten können. Der Druck von Aktivisten und der Industrie zeigt jedoch, dass das Bewusstsein für dieses wichtige Thema wächst.




