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VW investiert Milliarden in neue SSP-Plattform

Volkswagen investiert einen zweistelligen Milliardenbetrag in die neue SSP-Plattform, die ab 2028 als einheitliche Basis für über 40 Mio. E-Autos dienen soll.

Carla Hoffmann
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Carla Hoffmann

Carla Hoffmann ist eine erfahrene Automobiljournalistin mit einem Fokus auf neue Fahrzeugmodelle, Antriebstechnologien und globale Markttrends. Sie berichtet seit über sieben Jahren über die neuesten Entwicklungen in der Automobilindustrie.

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VW investiert Milliarden in neue SSP-Plattform

Volkswagen hat eine massive Investition in seine neue „Scalable Systems Platform“ (SSP) angekündigt, eine einheitliche Architektur, die zukünftig die Basis für die meisten Elektrofahrzeuge des Konzerns bilden soll. Dieses strategische Manöver zielt darauf ab, die Produktionskosten erheblich zu senken, die Effizienz zu steigern und die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Konkurrenten wie Tesla und aufstrebenden chinesischen Herstellern zu stärken.

Die SSP-Plattform wird als Nachfolger der aktuellen MEB- und PPE-Architekturen entwickelt und soll ab 2028 in den ersten Modellen zum Einsatz kommen. Der Konzern plant, über 40 Millionen Fahrzeuge auf dieser einzigen Plattform zu bauen, was eine beispiellose Standardisierung in der Unternehmensgeschichte darstellt.

Wichtige Erkenntnisse

  • Volkswagen investiert einen zweistelligen Milliardenbetrag in die Entwicklung der Scalable Systems Platform (SSP).
  • Die SSP soll ab 2028 die bisherigen Plattformen MEB und PPE ersetzen und als einheitliche Basis für die meisten E-Autos des Konzerns dienen.
  • Das Ziel ist die Produktion von über 40 Millionen Fahrzeugen auf einer einzigen Architektur, um Kosten zu senken und die Entwicklung zu beschleunigen.
  • Die Plattform ist für eine 800-Volt-Architektur ausgelegt, die Ladezeiten von 10 auf 80 Prozent in nur 12 Minuten ermöglichen soll.

Ein strategischer Schritt zur Kostensenkung

Der Hauptgrund für die Entwicklung der SSP-Plattform liegt in der massiven Reduzierung der Komplexität und der damit verbundenen Kosten. Aktuell nutzt der Volkswagen-Konzern verschiedene Plattformen für seine Elektrofahrzeuge, was zu höheren Entwicklungs- und Produktionsaufwänden führt. Die MEB-Plattform dient als Basis für Volumenmodelle wie den ID.3 und ID.4, während die gemeinsam mit Porsche entwickelte PPE-Plattform für Premiumfahrzeuge wie den Audi Q6 e-tron und den Porsche Macan EV vorgesehen ist.

Mit der SSP soll diese Fragmentierung beendet werden. Eine einzige, hoch skalierbare Architektur für alle Fahrzeugsegmente und Marken – von Kleinwagen bis hin zu Luxuslimousinen und SUVs – verspricht enorme Skaleneffekte. Laut internen Schätzungen könnten die Kosten pro Fahrzeug um bis zu 30 % gesenkt werden, was die Elektromobilität für eine breitere Käuferschicht erschwinglich machen würde.

„Die SSP ist der Schlüssel zu unserer zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit. Sie ermöglicht es uns, faszinierende Elektroautos effizienter und schneller zu entwickeln und gleichzeitig die Qualität und Technologie zu liefern, die unsere Kunden von uns erwarten“, erklärte ein Sprecher des Unternehmens.

Diese Vereinheitlichung betrifft nicht nur das Chassis, sondern auch die Software und die Batterietechnologie. Der Konzern plant, eine einheitliche Software-Architektur (E³ 2.0) und standardisierte Batteriezellen einzuführen, die in über 80 % aller Konzernfahrzeuge zum Einsatz kommen sollen.

Technische Innovationen der SSP-Plattform

Die SSP ist nicht nur eine Weiterentwicklung bestehender Technologien, sondern ein grundlegend neuer Ansatz. Sie ist von Beginn an für fortschrittliche Funktionen wie autonomes Fahren bis Level 4 und eine vollständig vernetzte Fahrzeugarchitektur konzipiert.

800-Volt-Technologie für ultraschnelles Laden

Ein zentrales Merkmal der SSP ist die Implementierung einer 800-Volt-Architektur. Diese Technologie, die bisher hauptsächlich im Premiumsegment zu finden ist, ermöglicht deutlich schnellere Ladezeiten. Volkswagen gibt an, dass Fahrzeuge auf der SSP-Basis in der Lage sein werden, ihre Batterie in nur 12 Minuten von 10 auf 80 Prozent aufzuladen. Dies würde die Ladezeiten im Vergleich zur aktuellen MEB-Plattform (400 Volt) mehr als halbieren und die Langstreckentauglichkeit von Elektroautos erheblich verbessern.

Fakten im Überblick

  • Plattform: Scalable Systems Platform (SSP)
  • Markteinführung: Geplant ab 2028
  • Spannung: 800-Volt-System
  • Ladezeit (10-80%): ca. 12 Minuten
  • Geplante Produktion: Über 40 Millionen Fahrzeuge
  • Autonomes Fahren: Vorbereitet für Level 4

Diese Ladeleistung würde Volkswagen an die Spitze der Branche katapultieren und einen der größten Nachteile der Elektromobilität – lange Wartezeiten an Ladesäulen – effektiv beseitigen.

Einheitliche Software und autonomes Fahren

Ein weiterer Schwerpunkt der SSP ist die Software. Mit der neuen Software-Plattform E³ 2.0, entwickelt von der Konzerntochter CARIAD, soll ein einheitliches Betriebssystem für alle Fahrzeuge geschaffen werden. Dies erleichtert Over-the-Air-Updates und die Implementierung neuer digitaler Dienste und Funktionen.

Die Architektur ist zudem darauf ausgelegt, die notwendige Rechenleistung und Sensorik für autonomes Fahren bis Level 4 zu integrieren. Das bedeutet, dass die Fahrzeuge unter bestimmten Bedingungen vollständig autonom fahren können, ohne dass der Fahrer eingreifen muss. Dies ist ein entscheidender Schritt in Richtung zukünftiger Mobilitätskonzepte wie Robotaxis.

Die Rolle des Trinity-Projekts und der neuen Gigafactory

Die Einführung der SSP-Plattform ist eng mit dem „Trinity“-Projekt verbunden, dem zukünftigen Flaggschiff-Modell von Volkswagen, das als erstes Fahrzeug auf der neuen Architektur basieren soll. Ursprünglich war der Produktionsstart für 2026 in einem neuen Werk in Wolfsburg-Warmenau geplant.

Hintergrund: Die Evolution der VW-Plattformen

Die Entwicklung von Plattformstrategien hat bei Volkswagen eine lange Tradition. Der Modulare Querbaukasten (MQB) für Verbrennerfahrzeuge revolutionierte die Produktion und sparte Milliarden. Mit dem Modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB) wurde dieses Prinzip auf Elektroautos übertragen. Die SSP stellt nun die nächste Evolutionsstufe dar: eine vollständig digitale und skalierbare Plattform für das Zeitalter der E-Mobilität und des autonomen Fahrens.

Aufgrund von Verzögerungen bei der Softwareentwicklung wurde der Zeitplan jedoch angepasst. Der Start der SSP wurde auf 2028 verschoben, und das Trinity-Modell wird nun voraussichtlich im Stammwerk Wolfsburg produziert. Der Bau eines komplett neuen Werks wurde vorerst auf Eis gelegt. Stattdessen wird Volkswagen bestehende Produktionsstätten modernisieren, um sie für die Fertigung von SSP-Fahrzeugen vorzubereiten.

Die Batterieversorgung für die Millionen von SSP-Fahrzeugen soll durch die konzerneigene Batterietochter PowerCo sichergestellt werden. PowerCo errichtet weltweit mehrere Gigafactories, unter anderem in Salzgitter (Deutschland), Valencia (Spanien) und St. Thomas (Kanada), um die Produktion der standardisierten Einheitszelle zu gewährleisten.

Herausforderungen und Ausblick

Die Umstellung auf eine einzige Super-Plattform ist ein ambitioniertes und riskantes Unterfangen. Die größte Herausforderung liegt in der Softwareentwicklung. Die Verzögerungen bei CARIAD haben bereits zu Verschiebungen bei wichtigen Modellen von Audi und Porsche geführt und verdeutlichen die Komplexität des Vorhabens.

Zudem ist der Wettbewerb intensiv. Tesla setzt bereits seit Jahren auf eine hochintegrierte Hard- und Software-Architektur. Gleichzeitig drängen chinesische Hersteller wie BYD, Nio und XPeng mit innovativen Technologien und aggressiven Preisen auf den europäischen Markt.

Trotz der Herausforderungen ist der Schritt zur SSP für Volkswagen alternativlos. Nur durch radikale Standardisierung und Effizienzsteigerung kann der Konzern langfristig im globalen Wettbewerb bestehen und die Transformation zur Elektromobilität erfolgreich gestalten. Wenn die Umsetzung gelingt, könnte die SSP-Plattform die Automobilindustrie ähnlich stark prägen wie einst der Modulare Querbaukasten (MQB) die Welt der Verbrenner.