Kanada erwägt die Aufhebung oder Senkung der Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge. Diese Überprüfung erfolgt vor dem Hintergrund eines verlangsamten Absatzes von batteriebetriebenen Fahrzeugen im eigenen Land und chinesischer Vergeltungszölle, die Kanadas Agrarsektor beeinträchtigen. Die Diskussion könnte eine Neuausrichtung der nordamerikanischen Handelsstrategie gegenüber Chinas wachsendem Einfluss im EV-Markt bedeuten.
Wichtige Erkenntnisse
- Kanada prüft die Lockerung der 100%-Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge.
- Der Absatz von E-Autos in Kanada hat sich verlangsamt, während die Nachfrage nach Hybridfahrzeugen steigt.
- Chinesische Vergeltungszölle belasten Kanadas Landwirtschaft, insbesondere Rapsöl.
- Eine Umfrage zeigt, dass 62% der Kanadier eine Aufhebung der Zölle unterstützen.
- US-Exporte nach Kanada sind aufgrund kanadischer Zölle auf US-Automobile um 1 Milliarde Dollar pro Monat gesunken.
Kanadas Tarifprüfung im Detail
Kanada steht vor einer wichtigen Entscheidung bezüglich seiner Handelspolitik mit China. Derzeit bestehen Zölle von über 100% auf chinesische Elektrofahrzeuge. Landwirtschaftsminister Heath MacDonald bestätigte in einem Interview Anfang des Monats, dass eine Überprüfung dieser Zölle läuft. Er betonte, dass mögliche Änderungen die Auswirkungen auf andere Wirtschaftssektoren berücksichtigen würden. Diese Ankündigung kommt zu einem Zeitpunkt, da Kanadas Landwirte unter den Auswirkungen chinesischer Vergeltungszölle leiden.
Die Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge wurden eingeführt, um den heimischen Markt zu schützen und die Wettbewerbsfähigkeit lokaler Hersteller zu gewährleisten. Ähnliche Maßnahmen haben auch die USA ergriffen. Mexiko hingegen, das derzeit einen Tarif von etwa 15% auf chinesische EVs erhebt, hat kürzlich vorgeschlagen, diesen auf 50% zu erhöhen. Dies zeigt eine zunehmende Besorgnis in Nordamerika über den Zustrom preisgünstiger chinesischer Elektrofahrzeuge.
Wichtige Statistik
Im vergangenen Jahr war BYD die meistverkaufte EV-Marke in Mexiko. Das Tesla Model Y, das Mexiko aus China importiert, war das beliebteste Einzelmodell.
Druck auf Kanadas Agrarsektor
Die Gespräche über die EV-Zölle sind eng mit den Herausforderungen für Kanadas Landwirtschaft verknüpft. China hat seit März Vergeltungszölle von 100% auf Rapsöl und andere landwirtschaftliche Produkte aus Kanada verhängt. Diese Maßnahmen belasten die kanadischen Landwirte erheblich. Minister MacDonald erklärte, dass China bisher nicht kommuniziert habe, welche genauen Forderungen es an die kanadische Regierung stellt. Dies führt zu Unsicherheit bei den Produzenten.
„Wir müssen die potenziellen Auswirkungen auf alle Sektoren unserer Wirtschaft abwägen, wenn wir Änderungen an den Zöllen vornehmen“, sagte Landwirtschaftsminister Heath MacDonald gegenüber CTV News.
Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftszweig Kanadas. Die anhaltenden Handelsspannungen mit China haben direkte finanzielle Konsequenzen für viele Betriebe. Eine Lösung in der Zollfrage könnte daher auch den Agrarsektor entlasten und die Exportmöglichkeiten für kanadische Produkte verbessern.
Hintergrund: Chinas EV-Dominanz
Chinesische Elektrofahrzeuge erleben weltweit eine starke Nachfrage. Dies liegt an der Kombination aus wettbewerbsfähigen Preisen und einer hohen Leistungsfähigkeit. Auch in etablierten Automobilmärkten wie Europa gewinnen chinesische Giganten wie BYD und SAIC Marktanteile. Nordamerika hat bisher versucht, diesen Trend durch hohe Zölle einzudämmen.
Öffentliche Meinung und EV-Absatz
Eine wachsende Zahl von Kanadiern scheint eine Aufhebung der Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge zu befürworten. Eine aktuelle Umfrage von Nanos Research, die von CTV News zitiert wurde, ergab, dass 62% der Befragten die Aufhebung der 100%-Zölle unterstützen oder eher unterstützen. Die Hoffnung ist, dass eine solche Maßnahme China dazu bewegen könnte, seine Zölle auf kanadische Agrarprodukte zu lockern. Dies zeigt einen klaren Wunsch der Bevölkerung nach einer Entspannung der Handelsbeziehungen.
Verlangsamung des EV-Absatzes und Anstieg der Hybride
Wie in den USA verlangsamt sich auch in Kanada die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Hybridfahrzeugen stark an. Daten von Statistics Canada, ebenfalls von CTV News zitiert, zeigen einen deutlichen Trend:
- Die Verkäufe von reinen Elektrofahrzeugen sanken im zweiten Quartal 2025 um 39,2%.
- Plug-in-Hybrid-Verkäufe gingen um 2,2% zurück.
- Verkäufe von traditionellen Hybridfahrzeugen stiegen hingegen um 60,7%.
Die Gesamtverkäufe von Fahrzeugen stiegen im gleichen Zeitraum um 5,9%. Analysten vermuten, dass der starke Rückgang der EV-Verkäufe teilweise auf das Auslaufen wichtiger Anreizprogramme in verschiedenen Teilen des Landes zurückzuführen ist. Diese Entwicklung könnte die Argumente für die Einführung preisgünstigerer chinesischer EVs stärken, um die Akzeptanz von Elektromobilität insgesamt zu fördern.
Bedenken der heimischen Industrie
Trotz des Rückgangs der EV-Verkäufe sind nicht alle Akteure der Meinung, die Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge aufzuheben. Heimische Automobilhersteller und Teileproduzenten befürchten, dass ein Anstieg der Importe ihre Verkaufszahlen beeinträchtigen könnte. Dies würde es kanadischen Werken erschweren, im Wettbewerb zu bestehen. Ein solcher Zustrom chinesischer Fahrzeuge könnte auch den Übergang für lokale Hersteller erschweren, die versuchen, die Produktion von EVs hochzufahren, in neue Technologien zu investieren und sich im EV-Segment zu etablieren. Die Balance zwischen Verbraucherinteressen und dem Schutz der heimischen Industrie ist eine komplexe Herausforderung.
Unerwartete Handelsergebnisse
Das aktuelle Zollumfeld hat auch andere, unerwartete Folgen. Ein Beispiel sind die kanadischen Vergeltungszölle auf US-Automobile. Diese haben dazu geführt, dass Kanada mehr Fahrzeuge aus Mexiko importiert. Die kanadischen Importe aus Mexiko haben inzwischen die aus den USA übertroffen. Dies führt dazu, dass die USA Exportverluste von rund 1 Milliarde Dollar pro Monat erleiden. Diese Entwicklung zeigt die weitreichenden und oft unvorhersehbaren Auswirkungen von Handelszöllen auf globale Lieferketten und Wirtschaftsbeziehungen.