Der Elektroautohersteller Rivian passt seine Strategie an die neuen Gegebenheiten des Marktes an, insbesondere an das Ende der staatlichen Steuergutschriften für Elektrofahrzeuge. Das Unternehmen plant die Einführung eines erschwinglicheren Modells, des R2, um eine breitere Käuferschicht zu erreichen und die Kosten zu senken.
In einem sich wandelnden Umfeld, in dem etablierte Automobilhersteller ihre Elektrifizierungspläne verlangsamen, beschleunigt Rivian die Entwicklung seines Mittelklasse-SUV. Das Fahrzeug soll bereits im nächsten Jahr auf den Markt kommen und die Weichen für die Zukunft des Unternehmens stellen.
Wichtige Erkenntnisse
- Rivian plant die Markteinführung des neuen Mittelklasse-SUV R2 im ersten Halbjahr des kommenden Jahres.
- Der Startpreis des R2 wird bei etwa 45.000 US-Dollar liegen, um neue Kundensegmente zu erschließen.
- Diese Strategie ist eine direkte Reaktion auf das Auslaufen von Steuergutschriften für Elektroautos in Höhe von bis zu 7.500 US-Dollar.
- Die Produktionskapazität im Werk in Illinois wird durch eine Erweiterung auf 215.000 Fahrzeuge pro Jahr erhöht.
- Das Unternehmen strebt erhebliche Kostensenkungen bei Material und Herstellung des R2 im Vergleich zum Vorgängermodell R1 an.
Ein strategischer Wandel als Antwort auf den Markt
Der Markt für Elektrofahrzeuge befindet sich in einer Phase der Unsicherheit. Nachdem die US-Regierung die Steuergutschriften für den Kauf von E-Autos zum 30. September beendet hat, spüren viele Hersteller einen nachlassenden Nachfragedruck. Einige etablierte Konzerne haben bereits angekündigt, die Einführung neuer Modelle zu verschieben oder die Produktion zu drosseln.
Für reine Elektroautohersteller wie Rivian ist ein solcher Rückzug keine Option. Stattdessen setzt das Unternehmen auf eine Offensive nach vorn. Claire McDonough, Finanzvorständin von Rivian, erklärte kürzlich auf einer Automobilkonferenz in Detroit die neue Ausrichtung des Unternehmens.
„Eine unserer Kernstrategien, um die Auswirkungen des Wegfalls einiger Gutschriften für Verbraucher auszugleichen, besteht darin, ein Produkt auf den Markt zu bringen, das den adressierbaren Markt für Verbraucher öffnet, die nun Ja zu einem Rivian sagen können.“
Das aktuelle Produktportfolio von Rivian, dessen Preise bei über 70.000 US-Dollar beginnen, richtet sich an ein zahlungskräftiges Publikum. Mit dem neuen R2 will das Unternehmen nun den Massenmarkt erobern.
Das neue Modell R2 im Detail
Der Rivian R2 ist als Mittelklasse-SUV konzipiert und soll eine deutlich größere Zielgruppe ansprechen als die bisherigen R1-Modelle. Mit einem geplanten Startpreis von 45.000 US-Dollar positioniert sich das Fahrzeug in einem wettbewerbsintensiveren, aber auch größeren Marktsegment.
Hintergrund: Die Bedeutung der Steuergutschriften
Die bis vor kurzem geltende Steuergutschrift von bis zu 7.500 US-Dollar war ein wesentlicher Anreiz für viele Käufer in den USA, auf ein Elektrofahrzeug umzusteigen. Ihr Wegfall zwingt die Hersteller nun, entweder die Preise zu senken oder Modelle anzubieten, die auch ohne Subventionen für eine breite Masse erschwinglich sind.
„Wir freuen uns sehr über die Möglichkeit, jüngere Verbraucher und ältere Verbraucher anzusprechen, die nicht unbedingt ein dreireihiges SUV benötigen“, so McDonough bei einer früheren Veranstaltung. Die Entwicklung des R2 ist bereits weit fortgeschritten. Prototypen werden in Kalifornien gebaut und durchlaufen derzeit verschiedene Validierungs- und Haltbarkeitstests.
Der Zeitplan ist ehrgeizig: Rivian plant, die Produktion im ersten Halbjahr des nächsten Jahres aufzunehmen und das Fahrzeug auf den Markt zu bringen.
Produktionsausbau und Kosteneffizienz
Um die erwartete Nachfrage nach dem R2 zu bedienen, hat Rivian erheblich in seine Produktionskapazitäten investiert. Das bestehende Werk in Normal, Illinois, wurde um eine Fläche von rund 102.000 Quadratmetern erweitert.
Produktionszahlen im Überblick
- Bisherige Produktion (R1): Etwas mehr als 50.000 Einheiten im letzten Jahr.
- Geplante Kapazität (R1 & R2): Bis zu 215.000 Einheiten pro Jahr am Standort Illinois.
Dieser Ausbau ermöglicht eine deutliche Steigerung des Produktionsvolumens. Während im vergangenen Jahr gut 50.000 Fahrzeuge der R1-Serie das Werk verließen, soll die Gesamtkapazität mit der Einführung des R2 auf 215.000 Einheiten pro Jahr ansteigen. Darüber hinaus plant Rivian den Spatenstich für ein weiteres Werk in Georgia im kommenden Jahr, um die Produktion des R2 und des zukünftigen R3 zu unterstützen.
Ein zentraler Aspekt der R2-Strategie ist die Kostensenkung. Laut McDonough ist es den Ingenieuren gelungen, die Materialkosten im Vergleich zum R1 zu halbieren. Zusätzliche Einsparungen sollen durch Skaleneffekte in der Fertigung und Designeffizienzen erzielt werden. „Sie werden zusätzliche Einsparungen sehen, wenn wir unsere Gemeinkosten auf ein viel größeres Produktvolumen verteilen“, erklärte die Finanzvorständin.
Diese Maßnahmen sind auch eine Reaktion auf den allgemeinen Kostendruck. Rivian hatte kürzlich angekündigt, etwa 4,5 % seiner Belegschaft, rund 600 Mitarbeiter, zu entlassen, um die Betriebskosten zu senken.
Technologie und der Weg zur Profitabilität
Der R2 soll nicht nur günstiger, sondern auch technologisch fortschrittlich sein. Ein besonderer Fokus liegt auf der Weiterentwicklung der autonomen Fahrfunktionen. Das Fahrzeug wird mit Kameras ausgestattet sein, die Rivian selbst entwickelt hat.
McDonough betonte die Vorteile dieser vertikalen Integration: „Das ermöglicht uns eine geschlossene, durchgängige Datenschleife und die vertikale Integration über unseren Software-Stack, das Hardware-Design des Produkts und den Aufbau unseres großen Fahrmodells.“ Das firmeneigene neuronale Netz lernt dabei kontinuierlich von den Daten der Kundenflotte.
Mit der erwarteten Verbreitung des R2 wird die Datenbasis erheblich wachsen, was die Weiterentwicklung der autonomen Systeme beschleunigen soll. „Der R2 ist für Rivian auch sehr wichtig, wenn wir an den fortschreitenden Ausbau unserer Autonomie denken“, so McDonough.
Letztendlich ist die Einführung des R2 ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Profitabilität. Durch geringere Kosten, höhere Stückzahlen und die Erschließung eines breiteren Marktes will sich Rivian als feste Größe in der Automobilindustrie etablieren, auch in einem Marktumfeld ohne staatliche Subventionen.




