Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass die Reduzierung von Geschwindigkeitsbegrenzungen von 50 km/h auf 30 km/h in Wohngebieten die Sicherheit von Radfahrern erheblich verbessert und gleichzeitig den Autoverkehr kaum beeinträchtigt. Diese Maßnahme könnte mehr Menschen dazu ermutigen, das Fahrrad für Kurzstrecken zu nutzen, und somit einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit und Umweltfreundlichkeit leisten.
Wichtige Erkenntnisse
- 30 km/h in Wohngebieten erhöhen die Überlebenschancen von Radfahrern bei Unfällen drastisch.
- Niedrigere Geschwindigkeiten machen Radfahren stressfreier und fördern die Nutzung von Fahrrädern.
- Der Autoverkehr auf lokalen Straßen wird durch 30 km/h-Limits kaum verzögert.
- Millionen von Autofahrten unter 5 km könnten stattdessen mit dem Fahrrad zurückgelegt werden.
- Verkehrsberuhigende Designänderungen sind zusätzlich zu neuen Schildern notwendig.
Sicherheit für Radfahrer durch Tempolimits
Eine aktuelle Studie der RMIT University in Melbourne, Australien, hat die Auswirkungen niedrigerer Geschwindigkeitsbegrenzungen auf die Sicherheit und Attraktivität des Radfahrens untersucht. Die Forscher bewerteten das Stressniveau des Verkehrs auf allen Straßen im Großraum Melbourne und modellierten die Effekte von Tempolimits auf den Fahrrad- und Autoverkehr.
Die Ergebnisse sind klar: Eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h in Wohngebieten würde die Menge des Radverkehrs auf stressarmen Straßen verdoppeln. Dies schafft eine deutlich sicherere Umgebung für Kinder und unsichere Radfahrer. Dr. Afshin Jafari, der leitende Forscher der Studie, betonte die Bedeutung dieser Erkenntnis.
„Die Verlangsamung des Verkehrs macht das Fahrradfahren weniger stressig. Dies ermutigt mehr Menschen, das Fahrrad als sicheres und praktikables Transportmittel zu wählen“, sagte Dr. Jafari.
Viele bestehende Radwege, oft schmale Spuren auf 60 km/h-Straßen, seien für Radfahrer sehr stressig. Dies sei einer der Hauptgründe, warum Menschen sich gegen das Radfahren entscheiden, erklärte er weiter.
Faktencheck: Überlebenschancen
Ein Radfahrer, der von einem Auto mit 50 km/h erfasst wird, hat nur eine Überlebenschance von etwa 15 % (1,5 von 10). Wird er hingegen von einem Auto mit 30 km/h getroffen, steigt die Überlebenschance auf etwa 90 % (9 von 10). Diese Zahlen unterstreichen die kritische Bedeutung niedrigerer Geschwindigkeiten für die Sicherheit von Radfahrern.
Minimale Auswirkungen auf den Autoverkehr
Die Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Cycling and Micromobility Research, zeigte auch, dass der Autoverkehr durch die 30 km/h-Grenze kaum beeinträchtigt wurde. Dies liegt daran, dass die Beschränkungen nur auf lokalen Straßen und nicht auf den verkehrsreicheren Hauptstraßen oder Autobahnen angewendet werden. Letztere sind darauf ausgelegt, den Verkehrsfluss zu maximieren.
Diese Erkenntnisse sind besonders relevant, da der australische Bundesstaat Victoria ein neues Gesetz einführt. Dieses Gesetz erlaubt es den Gemeinden, 30 km/h-Limits in Schulzonen und auf lokalen Straßen vorzuschlagen. Dies könnte einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Verkehrssicherheit darstellen.
Potenzial für mehr Radverkehr
Dr. Elliot Fishman, Direktor des Institute for Sensible Transport, der nicht an der Studie beteiligt war, wies darauf hin, dass die Radfahrquoten in Australien mit etwa 2 % der Arbeitswege niedrig sind. Diese Zahl hat sich in den letzten 20 Jahren kaum verändert, trotz der Ambitionen von Landes- und Kommunalregierungen.
In Städten wie Sydney und Melbourne gibt es eine große Anzahl von Kurzstreckenfahrten (unter 5 km), die derzeit mit dem Auto zurückgelegt werden, aber gut für das Fahrrad geeignet wären. Täglich werden im Großraum Sydney über 6 Millionen Fahrten, die kürzer als 5 km sind, mit dem Auto durchgeführt. Mehr als 2 Millionen davon sind sogar kürzer als 2 km.
In Melbourne ist über die Hälfte der Nicht-Arbeitsfahrten eine „fahrradtaugliche Entfernung“ von unter 5 km. Dies zeigt ein enormes ungenutztes Potenzial für den Radverkehr.
„Der Hauptgrund, warum Menschen diese Fahrten mit dem Auto statt mit dem Fahrrad machen, ist, dass sie sich beim Radfahren nicht sicher fühlen“, erklärte Dr. Fishman.
Hintergrund: Niederlande als Vorbild
Länder wie die Niederlande haben 30 km/h als Standard auf Wohnstraßen eingeführt. Dort werden 28 % aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt. Dies zeigt, dass eine solche Politik erfolgreich zu einer deutlichen Steigerung des Radverkehrs beitragen kann.
Designänderungen sind entscheidend
Dr. Fishman betonte, dass es nicht ausreicht, lediglich ein 30 km/h-Schild aufzustellen. Es bedarf auch baulicher Veränderungen, um den Verkehr tatsächlich zu verlangsamen. Seine Forschung hat gezeigt, dass sogenannte „Modale Filter“ am effektivsten sind, um die Sicherheit und die Radfahrquoten zu verbessern.
Modale Filter nutzen Verkehrsmanagement-Tools und Landschaftsgestaltung, um „Schleichwege“ durch Wohnstraßen zu verhindern. Solche Abkürzungen zwischen Hauptverkehrsadern, auch bekannt als „Rat-Running“, können die Sicherheit in Wohngebieten erheblich beeinträchtigen.
Umweltvorteile und Emissionsreduzierung
Die Förderung des Radfahrens hat auch erhebliche Umweltvorteile. Nach Angaben der Climate Change Authority wird der Verkehr bis 2030 voraussichtlich die Stromerzeugung übertreffen und Australiens größter Emittent werden. Es ist der einzige Sektor, in dem die Emissionen laut Regierungsdaten zunehmen.
Die Erhöhung des Anteils aktiver Fortbewegung wie Gehen und Radfahren ist eine vorrangige Maßnahme im Verkehrs-Fahrplan der Regierung. Niedrigere Geschwindigkeitsbegrenzungen tragen direkt dazu bei, dieses Ziel zu erreichen, indem sie den Umstieg vom Auto auf das Fahrrad erleichtern und die Umwelt entlasten.
Die Implementierung von 30 km/h-Zonen in Wohngebieten ist somit eine einfache, aber wirksame Strategie, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen, die Lebensqualität zu verbessern und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.




