Ein neues Elektro-Muscle-Car von Dodge versucht, mit künstlichem Motorengeräusch traditionelle Autoliebhaber zu überzeugen. Gleichzeitig zeigt ein Blick auf US-Bundesstaaten wie Wyoming und Colorado, wie tief die Kluft zwischen der wachsenden Ladeinfrastruktur und der tatsächlichen Akzeptanz von E-Fahrzeugen noch ist. Während einige Regionen die Elektromobilität vorantreiben, bleiben andere skeptisch.
Wichtige Erkenntnisse
- Der neue elektrische Dodge Charger erzeugt ein künstliches Motorengeräusch von über 125 Dezibel, um das klassische Muscle-Car-Erlebnis zu imitieren.
- Wyoming verfügt über eine der besten Ladeinfrastrukturen pro E-Auto in den USA, hat aber eine der niedrigsten Adoptionsraten.
- Colorado ist mit einem Anteil von 32,4 % an E-Fahrzeugen bei den Neuzulassungen führend, was vor allem auf staatliche Anreize zurückzuführen ist.
- Das Auslaufen der landesweiten Steuergutschriften hat den US-Markt für Elektrofahrzeuge spürbar verändert.
Der Sound der neuen Ära
Der Versuch, die Seele eines benzinbetriebenen Muscle-Cars in ein elektrisches Zeitalter zu übertragen, ist eine Herausforderung. Dodge geht mit dem 2026er Charger einen ungewöhnlichen Weg: Das Fahrzeug ist mit dem sogenannten „Fratzonic Chambered Exhaust“ ausgestattet, einem System, das den tiefen, grollenden Klang eines V8-Motors künstlich erzeugt. Das Geräusch kann eine Lautstärke von über 125 Dezibel erreichen und soll Nostalgiker ansprechen.
Die Reaktionen auf diese Innovation sind jedoch gemischt. Während einige Tester den Sound als authentisch und passend für die Zielgruppe empfinden, bezeichnen ihn andere Kritiker als „nervig“ oder vergleichen ihn mit dem Geräusch eines Laubbläsers. Diese gespaltenen Meinungen spiegeln eine größere Debatte wider: Wie viel vom alten Fahrerlebnis muss oder sollte in einem Elektroauto erhalten bleiben?
Klang aus dem Computer
Der Begriff „Fratzonic“ leitet sich vom historischen „Fratzog“-Logo von Dodge ab, das in der Vergangenheit Muscle-Cars der Marke zierte. Die Technologie soll eine emotionale Brücke zwischen der traditionellen Verbrenner-Kultur und der neuen Elektromobilität schlagen.
Michael Kahn, Herausgeber des Automobil-Blogs „The Weekly Driver“, hatte die Gelegenheit, den elektrischen Charger zu testen. „Wenn man davon hört, denkt man, es sei ein wenig kitschig“, sagte er. „Aber wenn man im Auto sitzt, macht es wirklich Spaß zu fahren.“ Er beschreibt, wie verschiedene Fahrmodi wie „Track“ und „Race“ die elektronischen Klänge und das Rumpeln anpassen.
Ein Land, zwei Geschwindigkeiten
Die Debatte um künstlichen Motorenlärm ist nur ein Symptom für die tiefen Unterschiede in der Akzeptanz von E-Autos in den USA. Landesweit machen Elektrofahrzeuge etwa 8 % der Neuwagenverkäufe aus, doch die regionalen Unterschiede sind enorm. Ein Vergleich zwischen den Nachbarstaaten Wyoming und Colorado verdeutlicht dies eindrucksvoll.
Colorado hat sich zu einem Vorreiter entwickelt. Im dritten Quartal 2025 waren 32,4 % aller dort verkauften Neufahrzeuge elektrisch – ein Spitzenwert in den USA. Wyoming hingegen rangiert mit Platz 44 von 50 Bundesstaaten am unteren Ende der Skala.
Anreize als treibende Kraft
Ein entscheidender Faktor für den Erfolg in Colorado sind staatliche Steueranreize, die den Kauf von E-Autos zusätzlich zu den früheren bundesweiten Subventionen attraktiv machten. Ein landesweiter Steuerkredit in Höhe von 7.500 US-Dollar für neue und 4.000 US-Dollar für gebrauchte E-Fahrzeuge lief am 30. September 2025 aus, was kurz zuvor zu einem Ansturm auf die Händler führte.
Alicia Cox, Geschäftsführerin von Yellowstone-Teton Clean Cities, einer Organisation zur Förderung sauberer Transportmittel, erklärt den Unterschied: „Colorado hat wegen der Rabatte, die sie auf Landesebene anbieten, so viele E-Auto-Besitzer.“ Dieser finanzielle Anreiz fehlt in Wyoming, was sich direkt auf die Verkaufszahlen auswirkt.
Wyoming: Ein Paradoxon der Infrastruktur
Obwohl nur wenige Menschen in Wyoming ein E-Auto fahren, ist der Bundesstaat ein sogenannter „Infrastruktur-Pionier“. Mit 333,6 Ladepunkten pro 1.000 zugelassener Elektrofahrzeuge liegt Wyoming landesweit auf dem zweiten Platz, direkt hinter North Dakota. Im Vergleich dazu hat Colorado zwar absolut gesehen mehr Ladesäulen, aber auch eine hundertfach höhere Anzahl an E-Autos.
Jesse Therien, Projektmanager für Yellowstone-Teton Clean Cities in Montana, bezeichnet dies als Paradox. „In Wyoming gibt es mehr Schnellladesäulen pro E-Auto als irgendwo sonst.“
Der Grund für diesen gut ausgebauten Korridor ist nicht die lokale Nachfrage, sondern der Tourismus. Die Infrastruktur wurde gezielt aufgebaut, um Besuchern, die mit ihren Elektrofahrzeugen die berühmten Nationalparks der Region bereisen, ein reibungsloses Erlebnis zu ermöglichen. „Wir fragen uns, was diejenigen brauchen, die in unsere Region kommen, und helfen dabei, dies für unsere Kunden bereitzustellen“, so Alicia Cox.
„Sie haben kein direktes Feedback. Sie haben nicht das Dröhnen oder den Schrei eines V8. Ein E-Auto ist eine völlig andere Erfahrung. Das heißt nicht, dass es schlecht ist, es ist nur anders.“
- John Higham, Vizepräsident der Electric Vehicle Association
Kulturelle Gräben und die Macht der Gewohnheit
Die Zurückhaltung in Staaten wie Wyoming hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch kulturelle Gründe. Arnie Zertuche, ein Muscle-Car-Enthusiast aus Riverton, erkennt die beeindruckende Leistung von E-Autos an. „Sie sind wie Raketen“, sagt er. „Sie haben eine enorme Kraft.“ Doch für ihn und viele andere aus der „Old-School“-Szene fehlt etwas Entscheidendes: der laute Motor.
Er beschreibt eine Kultur, in der laute Autos und modifizierte Diesel-Pickups, die dicke, schwarze Rauchwolken ausstoßen („Rolling Coal“), zum guten Ton gehören. Ein leises Elektroauto, egal wie schnell es ist, passt nicht in dieses Bild. „Etwas zu haben, das Kohle rollt, besser wird es nicht“, meint Zertuche.
Unterschiedliche Verkaufserfahrungen
Diese kulturelle Kluft spiegelt sich auch im Autohandel wider. Patrick Lawson, ein E-Auto-Fürsprecher aus Wyoming, berichtet von seinen Erfahrungen: „In Wyoming versuchen sie, einem den Kauf eines Elektrofahrzeugs auszureden. In Colorado hingegen wissen sie alles und sind bereit, einem ein Auto zu verkaufen.“
Auch nach dem Wegfall der bundesweiten Steuergutschriften bleibt der Markt in Bewegung. Laut Lawson haben viele Händler ihre Preise zunächst erhöht, um von der Torschlusspanik zu profitieren, und bieten nun ähnliche Rabatte in bar an, um den Absatz anzukurbeln.
Für John Higham von der Electric Vehicle Association ist der künstliche Sound des Chargers zwar „peinlich“, aber er ist überzeugt, dass die enorme Beschleunigung und das Drehmoment Elektrofahrzeuge als legitime Nachfolger der Muscle-Cars qualifizieren. Für ihn ist die Umweltfreundlichkeit nur ein „glücklicher Zufall“. Die eigentliche Faszination liege in der schieren Kraft – auch wenn sie lautlos entfesselt wird.




