Die jüngsten Quartalszahlen von BYD sorgten zunächst für Stirnrunzeln: Umsatz und Gewinn gingen zurück, was für den wachstumsgewohnten Automobilhersteller untypisch ist. Eine genauere Analyse der Bilanz zeigt jedoch ein anderes Bild. Hinter den schwächeren Ergebnissen verbirgt sich eine strategische Offensive mit massiven Investitionen in Forschung, Entwicklung und eine komplett erneuerte Produktpalette, die das Unternehmen für zukünftiges Wachstum positionieren soll.
Wichtige Erkenntnisse
- Der Nettogewinn von BYD sank im dritten Quartal um 32,6 %, während der Umsatz um 3 % zurückging.
- Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) stiegen um 31 %, die Entwicklungsinvestitionen sogar um über 500 %.
- Der Rückgang ist hauptsächlich auf eine geplante Umstellung der Plug-in-Hybrid-Modelle (PHEV) auf dem chinesischen Markt zurückzuführen.
- Gleichzeitig wuchs der Verkauf von reinen Elektrofahrzeugen (BEVs) um über 31 % und der Absatz im Ausland um mehr als 146 %.
- Das Unternehmen bereitet sich auf neue staatliche Vorschriften vor, die ab 2026 eine höhere elektrische Reichweite für PHEVs fordern.
Ein genauerer Blick auf die Finanzergebnisse
Auf den ersten Blick mögen die Finanzdaten des dritten Quartals enttäuschend wirken. Ein Rückgang des Nettogewinns um 32,6 % im Vergleich zum Vorjahr fällt bei einem Unternehmen wie BYD, das für sein rasantes Wachstum bekannt ist, sofort auf. Auch der leichte Umsatzrückgang um 3 % passte nicht zu den Erwartungen der Analysten.
Doch die Bilanz erzählt eine Geschichte von strategischer Voraussicht. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung stiegen um beachtliche 31 %. Noch drastischer fiel der Anstieg bei den Entwicklungsinvestitionen aus, die sich im Jahresvergleich um erstaunliche 519,65 % erhöhten. Diese Summen flossen direkt in die Entwicklung neuer Technologien und Fahrzeugplattformen.
Investition schlägt Gewinn
Die kombinierten Ausgaben für Forschung und Entwicklung waren im dritten Quartal etwa doppelt so hoch wie der Nettogewinn. Wären die F&E-Ausgaben stabil geblieben, hätte BYD einen Gewinnzuwachs verzeichnet.
Weitere Posten in der Bilanz untermauern diesen Trend. Der Lagerbestand wuchs um 31,83 %, was auf produzierte, aber noch nicht ausgelieferte neue Modelle hindeutet. Gleichzeitig stiegen die „Vertragsverbindlichkeiten“ um 40,29 %. Dies sind im Wesentlichen Anzahlungen von Kunden für Fahrzeuge, die sie bestellt haben, aber noch nicht erhalten haben – ein positives Zeichen für die zukünftige Nachfrage.
Die strategische Umstellung der PHEV-Flotte
Der Hauptgrund für die kurzfristige Delle bei Umsatz und Gewinn liegt in einer umfassenden und untypisch terminierten Erneuerung der Produktpalette. Normalerweise nutzen chinesische Hersteller das erste Quartal, eine saisonal schwächere Verkaufsperiode, um Fabriken umzurüsten und neue Modelle einzuführen.
BYD entschied sich jedoch, diesen Schritt mitten im dritten Quartal zu vollziehen, einer der verkaufsstärksten Zeiten des Jahres. Nahezu die gesamte Flotte an Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen wurde überarbeitet. Dieser Prozess führte unweigerlich zu Produktionsunterbrechungen und Lieferverzögerungen.
Warum dieser ungewöhnliche Zeitpunkt?
Die Entscheidung war keine Laune, sondern eine Reaktion auf kommende regulatorische Änderungen. Ab Anfang 2026 müssen PHEVs in China eine rein elektrische Reichweite von mehr als 100 Kilometern nachweisen, um weiterhin für eine Steuererleichterung von 5 % beim Kauf in Frage zu kommen.
BYD hat seine gesamte PHEV-Palette proaktiv aufgerüstet, um diese Anforderung zu erfüllen. Die neuen Modelle verdoppeln teilweise ihre elektrische Reichweite und sind damit zukunftssicher. Ein prominentes Beispiel ist der Austausch des bisherigen Bestsellers Song Plus durch das völlig neue Modell Sealion 06. Obwohl der Sealion 06 mit über 100.000 produzierten Einheiten in den ersten 100 Tagen einen Rekordstart hinlegte, konnte dies den temporären Einbruch durch den Auslauf des Vorgängers nicht vollständig kompensieren.
Vorausschauende Anpassung
Indem BYD die älteren Modelle noch im dritten Quartal 2025 aus den Beständen der Händler entfernt, vermeidet das Unternehmen, dass diese Anfang 2026 mit unverkäuflicher Ware dastehen. Diese strategische Bereinigung des Inventars belastete kurzfristig die Verkaufszahlen, sichert aber die Wettbewerbsfähigkeit für das kommende Jahr.
Verkaufszahlen zeigen ein zweigeteiltes Bild
Die Verkaufsstatistiken des dritten Quartals spiegeln die Produktstrategie wider. Während die PHEV-Verkäufe, angetrieben durch die Umstellung auf dem chinesischen Heimatmarkt, um 23,72 % sanken, zeigten andere Segmente ein starkes Wachstum.
Der Absatz von rein batterieelektrischen Fahrzeugen (BEVs) legte um 31,37 % zu. Noch beeindruckender war das internationale Geschäft: Die Exporte stiegen im dritten Quartal um 146,42 % und im Oktober sogar um 155 %. Dies zeigt, dass die Kernprobleme auf den heimischen PHEV-Markt beschränkt und Teil des Plans waren.
- PHEV-Verkäufe (China): -23,72 %
- BEV-Verkäufe (Global): +31,37 %
- Auslandsverkäufe (Gesamt): +146,42 %
Die Daten zeigen deutlich, dass die Nachfrage nach BYD-Fahrzeugen außerhalb des von der Umstellung betroffenen Segments ungebrochen hoch ist. Die Expansion auf globalen Märkten schreitet mit hohem Tempo voran und wird durch den Bau mehrerer neuer Fabriken weltweit unterstützt.
Ein teurer, aber notwendiger Schritt in die Zukunft
Die Umstrukturierung eines Großteils der Produktpalette innerhalb weniger Monate ist ein teures und komplexes Unterfangen, das nur wenige Automobilhersteller so schnell umsetzen können. BYD hat bewusst einen kurzfristigen Nachteil in einer starken Verkaufsphase in Kauf genommen, um sich langfristige Vorteile zu sichern.
Die massiven Investitionen sind ein klares Bekenntnis zur zukünftigen Dominanz. Neben dem Bau des weltweit größten F&E-Zentrums fließen die Mittel in die Entwicklung der nächsten Generation von Elektrofahrzeugen. Bereits jetzt gibt es Hinweise auf neue Modelle wie einen verbesserten Yuan Plus und einen neuen Dolphin, die voraussichtlich im ersten Quartal 2026 vorgestellt werden.
„Der temporäre Umsatzrückgang spiegelt keinen geschäftlichen Rückzug wider. BYD durchläuft teure Übergänge, bleibt dabei aber solide profitabel und investiert massiv in zukünftiges Wachstum.“
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Quartalszahlen von BYD weniger eine Schwäche als vielmehr eine Momentaufnahme einer tiefgreifenden strategischen Neuausrichtung sind. Das Unternehmen opfert kurzfristige Gewinne, um seine technologische Führung auszubauen, sich an neue Vorschriften anzupassen und seine globale Expansion voranzutreiben. Ob diese Wette aufgeht, werden die kommenden Quartale zeigen, doch die Zeichen stehen auf Angriff, nicht auf Rückzug.




