China betreibt das weltweit größte Netz von Ultrahochspannungsleitungen (UHV), um Strom aus erneuerbaren Energiequellen über Tausende von Kilometern zu transportieren. Dieses gigantische Infrastrukturprojekt ist die Grundlage für den Betrieb von Millionen von Elektrofahrzeugen und des ausgedehnten Hochgeschwindigkeitsbahnnetzes des Landes.
Eine der längsten dieser Leitungen erstreckt sich über mehr als 3.200 Kilometer und verbindet die sonnenreichen Regionen im Nordwesten mit den dicht besiedelten Industriezentren an der Ostküste. Dies ermöglicht eine stabile Stromversorgung für eine wachsende Wirtschaft, die stark auf Elektrifizierung setzt.
Wichtige Fakten
- China hat das weltweit größte Ultrahochspannungsnetz (UHV) zur Stromübertragung über weite Strecken aufgebaut.
- Die längste Leitung ist über 3.200 Kilometer lang und transportiert Strom von Xinjiang im Westen nach Anhui im Osten.
- Das Netz ist entscheidend für die Integration erneuerbarer Energien wie Solar- und Windkraft in das nationale Stromsystem.
- Es versorgt die Industriezentren und ermöglicht den Betrieb von Chinas wachsender Flotte an Elektroautos und dem Hochgeschwindigkeitszugnetz.
Das Rückgrat der chinesischen Energiewende
China steht vor einer gewaltigen Herausforderung: Die größten Energiequellen des Landes, insbesondere Sonne und Wind, befinden sich in den dünn besiedelten westlichen und nördlichen Regionen. Die größten Verbraucher – die Megastädte und Industriegebiete – liegen jedoch Tausende von Kilometern entfernt im Osten und Süden.
Um diese geografische Lücke zu überbrücken, hat das Land massiv in die UHV-Technologie investiert. Diese „Stromautobahnen“ können enorme Mengen an Elektrizität mit minimalen Verlusten über sehr große Entfernungen transportieren. Normale Hochspannungsleitungen würden auf solchen Distanzen einen erheblichen Teil der Energie verlieren.
Was ist Ultrahochspannung (UHV)?
Ultrahochspannung bezeichnet Stromleitungen, die mit Spannungen von 1.000 Kilovolt (kV) Wechselstrom oder ±800 kV Gleichstrom betrieben werden. Diese Technologie reduziert den Energieverlust bei der Übertragung im Vergleich zu herkömmlichen Leitungen um mehr als 40 %. Das macht sie ideal für den Transport von Strom über Distanzen von mehr als 1.000 Kilometern.
Der staatliche Netzbetreiber State Grid Corporation of China hat seit 2009 Dutzende dieser UHV-Leitungen gebaut. Das Ergebnis ist ein nationales Netz, das die Energieerzeugung und den Verbrauch effizient miteinander verbindet und die Abhängigkeit von lokalen, oft kohlebasierten Kraftwerken in den Städten verringert.
Ein Projekt der Superlative: Von der Wüste zur Küste
Ein herausragendes Beispiel für Chinas UHV-Netz ist die Verbindung von Xinjiang nach Anhui. Diese Leitung, die 2019 in Betrieb genommen wurde, ist eine der längsten und leistungsstärksten der Welt. Sie transportiert Strom über eine Strecke, die der Entfernung von Berlin nach Lissabon entspricht.
Die Leitung beginnt in der autonomen Region Xinjiang, einer der sonnenreichsten Gegenden Chinas. Hier erzeugen riesige Solarparks saubere Energie. Diese Energie wird dann über die UHV-Leitung direkt in die Provinz Anhui an der Ostküste geleitet, wo sie Städte wie Shanghai und Nanjing mit Strom versorgt.
Zahlen und Fakten zur Xinjiang-Anhui-Leitung
- Länge: 3.324 Kilometer
- Spannung: ±1.100 kV Gleichstrom (DC)
- Übertragungskapazität: 12 Gigawatt (GW)
- Versorgungsgebiet: Kann rund 50 Millionen Haushalte mit Strom versorgen.
Dieses Projekt ist Teil der größeren „West-to-East Power Transmission“-Strategie Chinas. Ziel ist es, die reichen Energieressourcen des Westens zu nutzen, um den Energiehunger der wirtschaftlich starken Küstenregionen zu stillen und gleichzeitig die Luftverschmutzung in den Metropolen zu reduzieren.
Antrieb für eine elektrische Zukunft
Die stabile Versorgung mit Strom aus dem UHV-Netz ist ein entscheidender Faktor für zwei der wichtigsten Modernisierungsprojekte Chinas: die Elektromobilität und das Hochgeschwindigkeitsbahnnetz.
Versorgung der E-Auto-Revolution
China ist der mit Abstand größte Markt für Elektrofahrzeuge weltweit. Im Jahr 2023 wurden dort mehr E-Autos verkauft als im Rest der Welt zusammen. Um diese Millionen von Fahrzeugen aufzuladen, ist eine robuste und zuverlässige Ladeinfrastruktur erforderlich, die wiederum auf eine stabile Stromversorgung angewiesen ist.
Das UHV-Netz sorgt dafür, dass auch bei Spitzenlastzeiten, wenn Millionen von Menschen gleichzeitig ihre Autos laden, genügend Strom zur Verfügung steht. Ein großer Teil dieses Stroms stammt zunehmend aus erneuerbaren Quellen, was die CO2-Bilanz der Elektromobilität verbessert.
„Ohne die Fähigkeit, saubere Energie über weite Strecken zu transportieren, wäre Chinas schnelle Umstellung auf Elektrofahrzeuge in diesem Umfang nicht nachhaltig. Das UHV-Netz ist das unsichtbare Fundament dieser Revolution.“
Rückenwind für Hochgeschwindigkeitszüge
China betreibt mit über 45.000 Kilometern das längste Hochgeschwindigkeitsbahnnetz der Welt. Diese Züge sind vollständig elektrisch und benötigen enorme Mengen an Energie, um Geschwindigkeiten von bis zu 350 km/h zu erreichen. Das UHV-Netz speist die Unterwerke entlang der Bahnstrecken und garantiert eine konstante Stromversorgung, die für den sicheren und pünktlichen Betrieb unerlässlich ist.
Die Verteilung von Strom aus dem Westen stellt sicher, dass das Schienennetz nicht nur schnell, sondern auch zunehmend grüner wird, da der Anteil an Solar-, Wind- und Wasserkraft im Energiemix steigt.
Herausforderungen und globale Bedeutung
Trotz der beeindruckenden technologischen Erfolge steht das System vor Herausforderungen. Die Integration von erneuerbaren Energien, deren Erzeugung naturgemäß schwankt, erfordert komplexe Netzmanagement-Systeme und oft den Einsatz von Kohlekraftwerken als Back-up, um die Netzstabilität zu gewährleisten.
Zudem gibt es internationale Bedenken hinsichtlich der Arbeitsbedingungen bei der Herstellung von Solarmodulen in der Region Xinjiang. Die chinesische Regierung weist diese Vorwürfe zurück.
Dennoch gilt Chinas UHV-Netz als Vorbild für andere große Länder, die vor ähnlichen geografischen Herausforderungen bei der Energiewende stehen. Die Technologie ermöglicht es, erneuerbare Energien dort zu erzeugen, wo die Bedingungen am besten sind, und sie dorthin zu bringen, wo sie gebraucht werden. Dies ist ein entscheidender Baustein für eine globale Energiewende und die Dekarbonisierung des Verkehrs- und Industriesektors.




