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USA: Debatte um Zukunft der E-Auto-Förderung und Klimaregulierung

Die US-Regierung erwägt die Abschaffung einer zentralen Klimaregulierung für Fahrzeuge, was eine heftige Debatte über die Zukunft von E-Autos und Emissionsstandards auslöst.

Dr. Lena Sommer
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Dr. Lena Sommer

Dr. Lena Sommer ist eine erfahrene Wirtschaftsjournalistin mit einem Schwerpunkt auf Umweltökonomie und staatliche Finanzpolitik. Sie analysiert die Auswirkungen politischer Entscheidungen auf Märkte und Verbraucher.

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USA: Debatte um Zukunft der E-Auto-Förderung und Klimaregulierung

In den USA hat sich die Debatte über Elektromobilität grundlegend gewandelt. Statt über die wachsende Nachfrage zu diskutieren, konzentriert sich die Auseinandersetzung nun auf staatliche Vorschriften und die mögliche Abschaffung einer zentralen Klimaschutzregelung aus dem Jahr 2009. Diese Entwicklung könnte die zukünftige Ausrichtung der amerikanischen Automobilindustrie maßgeblich beeinflussen.

Wichtige Erkenntnisse

  • Die US-Regierung prüft die Rücknahme der „Greenhouse Gas Endangerment Finding“ von 2009, der rechtlichen Grundlage für die Regulierung von Fahrzeugemissionen.
  • Die Wahrnehmung von Steuergutschriften als „Zwang zum E-Auto“ hat die öffentliche Meinung negativ beeinflusst und die Akzeptanz verringert.
  • Industrieverbände und Umweltschutzorganisationen vertreten gegensätzliche Positionen zu den möglichen wirtschaftlichen und ökologischen Folgen.
  • Gleichzeitig sorgt ein wachsender Markt für gebrauchte Leasing-Elektrofahrzeuge für sinkende Preise und eine bessere Verfügbarkeit.

Die politische Wirkung von Steuergutschriften

Die Diskussion um die Elektromobilität in den Vereinigten Staaten ist komplexer geworden. Ursprünglich ging man von einem schnellen Wachstum aus, doch die Realität zeigt eine verlangsamte Nachfrage. Dies hat den Fokus auf die Rolle der Regierung bei der Förderung von E-Autos gelenkt.

Ein zentrales Instrument war die Steuergutschrift für Elektrofahrzeuge, die im Rahmen des „Inflation Reduction Act“ (IRA) modifiziert wurde. Obwohl das Ziel darin bestand, den Übergang zu sauberer Mobilität zu beschleunigen, führte die Maßnahme zu einer unerwarteten politischen Gegenreaktion. Die öffentliche Wahrnehmung war entscheidender als die eigentliche Absicht des Gesetzes.

Wahrnehmung versus Absicht

Viele Verbraucher empfanden die Subventionen und die strengen Emissionsziele nicht als Anreiz, sondern als Versuch der Regierung, ihnen den Kauf von Elektroautos aufzuzwingen. Diese Sichtweise wurde von Kritikern als „E-Auto-Zwang“ bezeichnet und trug dazu bei, einen Teil der Bevölkerung von der Technologie zu entfremden.

B.J. Birtwell, CEO des E-Auto-Festivals Electrify Expo, erklärte gegenüber Automotive News, dass die Industrie einen Fehler gemacht habe, indem sie die Umweltvorteile über die Leistung stellte. „Je mehr die Industrie E-Autos mit dem Klima in Verbindung bringt, desto mehr entfremden wir die Hälfte der Bevölkerung“, so Birtwell. Die staatlichen Anreize verstärkten diesen Eindruck zusätzlich.

„Der US-Verbraucher ist wirklich anders. Das Wichtigste ist, dass du mir nicht sagst, was ich zu tun habe“, sagte Raul Arredondo, ein Berater für E-Mobilität und ehemaliger Manager bei FCA. Er betonte das starke Bedürfnis amerikanischer Konsumenten nach Wahlfreiheit.

Der „Inflation Reduction Act“ (IRA)

Der 2022 verabschiedete „Inflation Reduction Act“ umfasste bedeutende Investitionen in Klimaschutz und saubere Energie. Ein zentraler Bestandteil war eine Steuergutschrift von bis zu 7.500 US-Dollar für den Kauf neuer Elektrofahrzeuge. Die Gutschrift war jedoch an strenge Bedingungen geknüpft, darunter Anforderungen an die Herkunft der Batteriematerialien und die Endmontage der Fahrzeuge in Nordamerika.

Kern der Debatte: Die „Endangerment Finding“

Im Mittelpunkt der aktuellen Auseinandersetzung steht eine Entscheidung der US-Umweltschutzbehörde (EPA) aus dem Jahr 2009, die als „Greenhouse Gas Endangerment Finding“ bekannt ist. Diese Feststellung besagt, dass Treibhausgase die öffentliche Gesundheit und das Wohlergehen gefährden.

Diese Erkenntnis schuf die rechtliche Grundlage für die Regulierung von Fahrzeugemissionen unter dem „Clean Air Act“. Basierend darauf erließ die Regierung von Präsident Biden Vorschriften, die eine Reduzierung der Auspuffemissionen um 50 % bis 2032 vorsahen. Dies hätte bedeutet, dass zwischen 35 % und 56 % der Neuwagen elektrisch sein müssten.

Vorschlag zur Rücknahme der Regelung

Die EPA hat nun vorgeschlagen, diese grundlegende Feststellung aus dem Jahr 2009 aufzuheben. Ein solcher Schritt würde der Behörde die rechtliche Befugnis entziehen, Treibhausgasemissionen von Neufahrzeugen zu regulieren. In der Folge müssten Fahrzeughersteller keine zukünftigen Verpflichtungen zur Messung, Kontrolle oder Meldung von Treibhausgasemissionen mehr erfüllen.

Die Regulierung anderer Schadstoffe wie Stickoxide, die für Smog verantwortlich sind, soll jedoch beibehalten werden. Dieser Schritt wird als Versuch gesehen, die Automobilhersteller zu entlasten, während gleichzeitig andere politische Maßnahmen wie Zölle die Branche belasten.

Sechs regulierte Treibhausgase

Die „Endangerment Finding“ von 2009 bezieht sich auf sechs Gase: Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFC) und Schwefelhexafluorid (SF6).

Stimmen aus Industrie und Umweltschutz

Die vorgeschlagene Änderung hat eine scharfe Debatte zwischen verschiedenen Interessengruppen ausgelöst. Umweltschutzorganisationen warnen vor drastischen Folgen, während einige Branchenverbände den Schritt begrüßen.

Warnungen vor wirtschaftlichen Schäden

Der International Council on Clean Transportation (ICCT), eine Organisation, die maßgeblich zur Aufdeckung des Dieselgate-Skandals beitrug, kritisiert den Vorschlag scharf. „Die Rücknahme dieser Feststellungen und die Aushöhlung der Vorschriften wird amerikanische Leben, die Infrastruktur und die Wirtschaft gefährden“, sagte Drew Kodjak, Präsident des ICCT.

Laut Analysen der EPA selbst würden die aktuellen Standards bis 2055 jährlich 62 Milliarden US-Dollar an Kraftstoff- und Wartungskosten einsparen. Der ICCT schätzt, dass eine Rücknahme der Regelungen die Amerikaner unter Berücksichtigung höherer Treibstoffkosten und Klimaschäden über 2 Billionen US-Dollar kosten würde. Zudem würde die internationale Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie geschwächt.

Unterstützung von Branchenverbänden

Die Specialty Equipment Market Association (SEMA), die viele Unternehmen aus dem Zubehörmarkt und Motorenbau vertritt, unterstützt die Aufhebung. Der Verband argumentiert, dass die EPA unter Berufung auf die „Endangerment Finding“ versucht habe, den Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zu verbieten. Dies gefährde Tausende von Unternehmen, die Produkte für diese Fahrzeuge entwickeln.

Auch die Alliance for Automotive Innovation, die große Hersteller wie General Motors, Toyota und Volkswagen vertritt, hält die aktuellen Emissionsstandards für nicht mehr erreichbar. Der Verband verweist auf Marktveränderungen, eine unzureichende Ladeinfrastruktur und die kürzlich vorgenommenen politischen Änderungen, wie die Abschaffung der Steuergutschriften.

Der wachsende Markt für gebrauchte E-Autos

Während die politische Debatte andauert, entwickelt sich der Markt in eine interessante Richtung. Eine Besonderheit des IRA war eine Ausnahmeregelung für geleaste Elektrofahrzeuge, die zu einem Boom im Leasinggeschäft führte. Diese Fahrzeuge kommen nun in großer Zahl auf den Gebrauchtwagenmarkt.

Zahlen zum US-Leasingmarkt

Laut Cox Automotive wurden seit 2023 in den USA rund 1,1 Millionen Elektrofahrzeuge geleast. Diese Leasingrückläufer erhöhen nun das Angebot an gebrauchten E-Autos erheblich.

Dieser Zustrom an Fahrzeugen führt zu sinkenden Preisen. Im August fiel der Preisunterschied zwischen einem gebrauchten E-Auto und einem gebrauchten Verbrenner auf nur noch 897 US-Dollar – ein Rekordtief. Die Verkäufe von gebrauchten E-Autos stiegen auf fast 41.000 Einheiten, was ihren Marktanteil auf 2,4 % erhöhte.

Für viele Käufer wird Elektromobilität im Gebrauchtwagensegment damit erstmals erschwinglich. Experten gehen davon aus, dass der langfristige Trend trotz politischer Unsicherheiten weiterhin in Richtung Elektrifizierung zeigt. Fallende Batteriekosten, neue Technologien und der Aufbau einer heimischen Lieferkette werden diese Entwicklung voraussichtlich weiter vorantreiben.