Eine neue Studie zeigt, dass Plug-in-Hybridfahrzeuge (PHEVs) in der Praxis erheblich mehr CO2 ausstoßen als offizielle Laborwerte. Die Analyse von 800.000 Autos in Europa deckte auf, dass die tatsächlichen Emissionen fast fünfmal höher liegen als von Herstellern angegeben. Dies hat weitreichende Folgen für Verbraucher und die europäische Klimapolitik.
Wichtigste Erkenntnisse
- PHEV-Emissionen in der Praxis sind 4,9-mal höher als Laborwerte.
- Der elektrische Fahrmodus wird seltener genutzt als angenommen (27% statt 84%).
- Autohersteller sparten durch die Unterschätzung Milliarden an Strafen.
- Fahrer zahlen jährlich etwa 500 Euro mehr Betriebskosten.
- Die EU-Kommission plant Korrekturen, die die Lücke aber nicht schließen.
PHEV-Emissionen in der Realität
Plug-in-Hybride wurden von der Automobilindustrie als umweltfreundliche Alternative beworben. Sie kombinieren einen Verbrennungsmotor mit einem Elektromotor und sollen lange Strecken abdecken, während sie gleichzeitig Emissionen senken. Eine aktuelle Untersuchung der gemeinnützigen Organisation Transport and Environment (T&E) zeigt jedoch ein anderes Bild.
Die Analyse basierte auf Daten der Bordcomputer von 800.000 in Europa zugelassenen PHEVs aus den Jahren 2021 bis 2023. Die Ergebnisse sind deutlich: Die realen CO2-Emissionen von PHEVs waren im Jahr 2023 4,9-mal höher als die Werte aus standardisierten Labortests. Im Jahr 2021 lag dieser Faktor noch bei 3,5.
„Die realen Emissionen steigen, während die offiziellen Emissionen sinken“, sagte Sofía Navas Gohlke, Forscherin bei Transport and Environment und Mitautorin des Berichts. „Diese Lücke verschlimmert sich und stellt ein echtes Problem dar. Das Ergebnis ist, dass PHEVs fast so viel wie Benziner verschmutzen.“
Faktencheck: PHEV-Emissionen
- Offiziell: 75% weniger CO2 als Benziner/Diesel.
- Realität: Nur 19% weniger CO2 als Benziner/Diesel.
- Anstieg: Faktor von 3,5 (2021) auf 4,9 (2023) zwischen Labor und Realität.
Fehlkalkulation des Nutzungsfaktors
Ein Hauptgrund für die Diskrepanz liegt in der Überschätzung des sogenannten „Nutzungsfaktors“. Dieser Faktor beschreibt das Verhältnis der im Elektromodus gefahrenen Kilometer zu den insgesamt gefahrenen Kilometern. Offizielle Schätzungen gingen von einem Nutzungsfaktor von 84% im Elektromodus aus. Die T&E-Studie ergab jedoch, dass tatsächlich nur 27% der Fahrten elektrisch erfolgten.
Selbst wenn die Fahrzeuge im Elektromodus fuhren, waren die Emissionen höher als erwartet. Die Forscher erklärten dies damit, dass die Elektromotoren oft nicht stark genug sind, um alleine zu arbeiten. Der Verbrennungsmotor wurde demnach fast ein Drittel der Strecke im angeblichen Elektromodus zugeschaltet und verbrannte fossile Brennstoffe.
Hintergrund: EU-Flottengrenzwerte
Die Europäische Union hat strenge CO2-Grenzwerte für Neuwagenflotten festgelegt. Hersteller müssen einen bestimmten Durchschnittswert über alle verkauften Fahrzeuge einhalten, sonst drohen hohe Strafen. PHEVs wurden bisher so kalkuliert, dass sie diesen Durchschnittswert stark senkten und den Herstellern halfen, die Ziele zu erreichen.
Finanzielle Auswirkungen für Hersteller und Verbraucher
Die Unterschätzung der PHEV-Emissionen hatte erhebliche finanzielle Folgen. Laut den Berechnungen der Forscher konnten vier große Automobilkonzerne zwischen 2021 und 2023 mehr als 5 Milliarden Euro an Strafen vermeiden. Dies geschah, indem die PHEVs die Einhaltung der EU-Flotten-CO2-Ziele künstlich erleichterten.
Auch für die Fahrer entstehen zusätzliche Kosten. Die Studie schätzt, dass PHEV-Besitzer jährlich etwa 500 Euro mehr an Betriebskosten zahlen, als unter Laborbedingungen angenommen würde. Dies liegt am höheren Kraftstoffverbrauch im realen Fahrbetrieb.
„Die kühnen Behauptungen, die Hersteller gerne über ihre Plug-in-Hybridfahrzeuge aufstellen, sind eindeutig weit von der Realität entfernt“, sagte Colin Walker, Transportanalyst bei der Energy and Climate Intelligence Unit. „Verbraucher werden getäuscht, wenn sie glauben, dass sie mit dem Kauf eines PHEV der Umwelt helfen und Geld sparen. In Wirklichkeit sind PHEVs kaum besser als normale Benzin- und Dieselfahrzeuge, wenn es um den Kraftstoffverbrauch, die CO2-Produktion und die Betriebskosten geht.“
Politische Reaktionen und zukünftige Entwicklungen
Die Ergebnisse der Studie rücken Hybridautos erneut in den Fokus der politischen Debatte. Die Automobilhersteller üben Druck auf die EU aus, die CO2-Ziele zu lockern. Ein geplantes Verbot neuer Verbrennungsmotoren ab 2035 stößt auf starken Widerstand der Industrie und einiger Mitgliedstaaten, darunter Deutschland.
Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz äußerte sich nach einem Gipfel mit Vertretern der Automobilindustrie. Er versprach, „alles in seiner Macht Stehende“ zu tun, um eine „drastische Kürzung im Jahr 2035“ zu verhindern. Andere führende deutsche Politiker schlugen Plug-in-Hybride als mögliche „Flexibilitäten“ in der Gesetzgebung vor.
Anpassungen durch die Europäische Kommission
Die Europäische Kommission hat bereits zwei Korrekturen am Nutzungsfaktor angekündigt. Diese sollen die Lücke zwischen Labor- und Realwerten verringern. Die Analyse von T&E deutet jedoch darauf hin, dass diese Anpassungen die Diskrepanz nicht vollständig beheben werden. Die Debatte um die Rolle von PHEVs in der zukünftigen Mobilität bleibt damit weiterhin aktuell.
Zahlen und Daten
- 800.000: Anzahl der analysierten Fahrzeuge.
- 2021-2023: Zeitraum der Datenerhebung.
- 5 Milliarden Euro: Geschätzte Strafen, die Hersteller vermieden haben.
- 500 Euro: Geschätzte Mehrkosten pro Jahr für PHEV-Fahrer.
Expertenmeinungen zur Studie
Patrick Plötz, Leiter der Energieökonomie am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, der nicht an der Studie beteiligt war, bezeichnete sie als „sehr nützlichen Beitrag“. Er betonte, dass die Studie nach Jahren, in denen Teile der Automobilindustrie einen Mangel an Daten zur genauen Bewertung realer Emissionen beklagten, wichtige Erkenntnisse liefere.
Plötz, der selbst zu diesem Thema geforscht hat, ergänzte: „Die Ergebnisse zeigen zweifelsfrei, dass die Lücke zwischen offiziellem und realem PHEV-Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen viel, viel größer ist als bei Benzin- oder Dieselfahrzeugen. Alle politischen Änderungen in Bezug auf PHEVs sollten mit größter Sorgfalt und im Lichte dieser Daten vorgenommen werden.“
Die Erkenntnisse der Studie könnten die Diskussion um die Rolle von PHEVs im Übergang zur Elektromobilität neu entfachen und politische Entscheidungen maßgeblich beeinflussen. Eine transparente und realistische Bewertung der Umweltauswirkungen von Fahrzeugen ist entscheidend für eine glaubwürdige Klimapolitik.




