Singapurs Staatsfonds GIC hat den chinesischen Elektrofahrzeughersteller Nio Inc. in den USA verklagt. Der Vorwurf lautet, Nio habe Umsätze künstlich aufgebläht. Diese Klage ist ein weiterer Rückschlag für den Autobauer, der in einem hart umkämpften Markt besteht.
Die Klage konzentriert sich auf Nios Batterie-Abonnementmodell und eine verbundene Firma. GIC fordert Entschädigung für erhebliche Verluste, die durch die angeblich irreführenden Angaben entstanden sind.
Wichtige Punkte
- GIC verklagt Nio wegen angeblicher Umsatzinflation.
- Die Klage betrifft Nios Batterie-Abonnementmodell und eine Tochtergesellschaft.
- Nio soll Umsätze aus Batterieverkäufen an die Tochtergesellschaft sofort verbucht haben, bevor Endkunden zahlten.
- Die Klage wurde im August in New York eingereicht.
- Nio-Aktien fielen nach Bekanntwerden der Klage deutlich.
Details der Klage gegen Nio
Die Klage wurde im August beim Bezirksgericht für den südlichen Bezirk von New York eingereicht. Sie richtet sich gegen Nio Inc., den Vorstandsvorsitzenden Li Bin und den ehemaligen Finanzvorstand Feng Wei. GIC behauptet, die Beklagten hätten irreführende Angaben gemacht. Diese Angaben sollen den Wert von Nios Wertpapieren künstlich in die Höhe getrieben und GIC „erhebliche Verluste“ verursacht haben.
Die Anschuldigungen drehen sich um Nios Batterie-Abonnementmodell und die verbundene Firma Nio Battery Asset Co., in China als Weineng bekannt. Dieses Modell ermöglicht es Autokäufern, Batterien nicht direkt zu kaufen. Stattdessen zahlen sie eine wiederkehrende Gebühr für den Zugang zu Nios Netzwerk von Batteriewechselstationen.
Faktencheck
- Die Klage wurde im August in New York eingereicht.
- Die Nio-Aktien fielen in Hongkong um bis zu 13 % und in Singapur um 9,8 % nach Bekanntwerden der Klage.
- Nio wurde 2014 gegründet und hat seitdem keinen Gewinn erzielt.
Umsatzrealisierung und die Vorwürfe
GICs Klage argumentiert, dass Nio den gesamten Umsatz aus Batterieverkäufen an seine verbundene Gesellschaft sofort verbuchte. Dies geschah, obwohl die Endnutzer die Batterien noch nicht bezahlt hatten. Die Finanzunterlagen von Weineng sollen zeigen, dass das Unternehmen Batterien im Voraus von Nio kaufte.
Die Klageschrift besagt, dass solche Einnahmen schrittweise hätten erfasst werden müssen, nicht auf einmal. Diese Praxis soll Nio ermöglicht haben, sofort den vollen Umsatz zu verbuchen.
„Die Vorwürfe lösten erneute Bedenken hinsichtlich Nios Governance und Finanzberichterstattung aus und trugen zum anhaltenden Rückgang der Aktie bei“, sagte Ravi Wong, erster Vizepräsident des Yan Yun Family Office.
Wong fügte hinzu, dass Nios monatliche Verkaufszahlen hinter denen der Hauptkonkurrenten zurückbleiben. Die Fundamentaldaten des Unternehmens seien angesichts des anhaltenden Preiskampfes auf dem chinesischen Automarkt „nicht gut genug“.
Hintergrund und frühere Untersuchungen
Bereits im Jahr 2022 veröffentlichte Grizzly Research aus New York einen Bericht. Dieser Bericht beschrieb ähnliche Buchhaltungspraktiken. Daraufhin kündigte Nio an, einen unabhängigen Ausschuss zur Untersuchung der Behauptungen einzusetzen. Dies führte zu einem starken Rückgang der amerikanischen Hinterlegungsscheine von Nio, was erhebliche Verluste zur Folge hatte, so GICs Klageschrift.
Nio erklärte 2022, die Überprüfung abgeschlossen und die Vorwürfe als unbegründet eingestuft zu haben. GIC fordert nun eine Entschädigung für alle Verluste, die im Zusammenhang mit Nios Fehlverhalten stehen, sowie die Erstattung der angemessenen Rechtskosten.
Hintergrundinformationen
GIC ist der Staatsfonds Singapurs und verwaltet Schätzungen zufolge Vermögenswerte von 936 Milliarden US-Dollar. Der Fonds klagt selten wegen fehlgeschlagener Investitionen. Ein Bericht von Caixin bezeichnete dies als die erste derartige Klage eines Staatsfonds gegen ein chinesisches Unternehmen, das außerhalb Chinas gelistet ist.
Die Forderungen von GIC ähneln denen anderer Investoren. Ein Richter hat den Fall vorläufig ausgesetzt, da er einer früheren Klage aus dem Jahr 2022 gegen Nio ähnelt.
Auswirkungen auf Nio und den Markt
Die Nachricht von der Klage löste Zweifel an Nios Zukunftsaussichten und seiner Fähigkeit aus, weitere Mittel zu beschaffen. Erst im Vormonat hatte Nio durch eine Aktienemission 1,2 Milliarden US-Dollar eingenommen. Dies war eine von mehreren Kapitalerhöhungen, die über die Jahre Milliarden eingebracht haben. Trotzdem hat das Unternehmen seit seiner Gründung im Jahr 2014 keinen Gewinn erzielt.
Nio und GIC lehnten eine Stellungnahme gegenüber Bloomberg News ab.
„Von GIC verklagt zu werden, wird sich natürlich negativ auf die Stimmung der Aktie auswirken. Solche Klagen sind jedoch recht häufig und werden normalerweise mit einer Entschädigung beigelegt“, sagte Vey-Sern Ling, Senior Equity Adviser für Asien-Technologie bei der Union Bancaire Privee. „Der Hauptstreitpunkt ist, ob Nios Praxis, Umsätze für den Verkauf von Batterien an eine von ihr kontrollierte Einheit sofort zu verbuchen, nach US-amerikanischen Rechnungslegungsstandards akzeptabel ist.“
Nios Strategie und Herausforderungen
Nio war eines von mehreren chinesischen Unternehmen, die GIC unterstützte. Der Fonds suchte nach vielversprechenden Technologieunternehmen außerhalb des Silicon Valley. GIC erkannte, dass Chinas Industriezentren es Unternehmen ermöglichten, Konsumgüter mit optimierter Hardware, Software und Lieferketten sowie modernster Technologie zu niedrigen Preisen zu entwickeln.
Trotz des Rechtsstreits versucht Nio, sein Profil im Ausland zu schärfen. Das Unternehmen hat Untermarken in Europa und Südostasien eingeführt. Es bewegt sich auch von seinen Ursprüngen als Luxusmarke weg. Nio hat Massenmarktmodelle eingeführt, um mit BYD Co. zu konkurrieren. CEO Li bekräftigte eine Prognose, dass Nio die Verkäufe im Jahr 2025 verdoppeln und bis Ende des Jahres profitabel werden will.
Nio hat bereits in der Vergangenheit schwierige Phasen überstanden. Im Jahr 2020 wurde das Unternehmen von der Stadtverwaltung von Hefei mit einem Rettungspaket von 1 Milliarde US-Dollar gerettet. Im Jahr 2023 investierte der von Abu Dhabi unterstützte Fonds CYVN Holdings 738,5 Millionen US-Dollar und erwarb später Nio-Aktien von einem Tencent-Tochterunternehmen für 350 Millionen US-Dollar. Im Dezember 2023 verpflichtete sich CYVN, weitere 2,2 Milliarden US-Dollar zu investieren, um einen Anteil von 20,1 % zu erhalten.




