Die Automobilindustrie in den Vereinigten Staaten justiert ihre Strategie für Elektrofahrzeuge (EVs) neu. Nach dem Wegfall wichtiger staatlicher Anreize und einer Änderung der Regulierungspolitik sehen sich Hersteller wie Ford, General Motors und Tesla mit einer unsicheren Nachfrage konfrontiert. Trotz eines erwarteten kurzfristigen Einbruchs der Verkaufszahlen halten die Konzerne an langfristigen Investitionen fest, passen ihre Pläne jedoch an die neuen Marktbedingungen an.
Wichtige Erkenntnisse
- Das Ende der landesweiten Steuergutschrift von 7.500 US-Dollar für Elektroautos wird voraussichtlich zu einem deutlichen Rückgang der Verkaufszahlen führen.
- Große Hersteller wie Ford und General Motors erwarten, dass der Marktanteil von E-Autos kurzfristig sinken wird.
- Trotz der unsicheren Nachfrage investieren die Unternehmen weiterhin Milliarden in die EV-Produktion und -Entwicklung.
- Hybridfahrzeuge gewinnen wieder an Bedeutung, da die reine Elektro-Strategie vorsichtiger verfolgt wird.
- Regulatorische Unsicherheiten, insbesondere im Hinblick auf Emissionsvorschriften in einzelnen Bundesstaaten, bleiben ein entscheidender Faktor für die Branche.
Ein abrupter Wandel der Förderpolitik
Die amerikanische Automobilbranche steht vor einer großen Herausforderung. Die Vision einer rein elektrischen Zukunft, die noch vor wenigen Jahren von vielen Herstellern propagiert wurde, weicht einer pragmatischeren Sichtweise. Ein entscheidender Grund dafür ist die Abschaffung der US-Bundessteuergutschrift in Höhe von 7.500 US-Dollar für den Kauf von Elektrofahrzeugen durch die Trump-Regierung.
Dieser finanzielle Anreiz war ein wichtiger Motor für die Nachfrage. Sein Wegfall dürfte die Verkaufszahlen in den kommenden Monaten und möglicherweise Jahren erheblich dämpfen. Analysten und Branchenführer bereiten sich auf einen spürbaren Rückgang vor, nachdem im dritten Quartal ein kurzfristiger Ansturm auf E-Autos zu verzeichnen war, da viele Käufer die Prämie noch nutzen wollten.
Verkaufsrekord vor dem Einbruch
Im letzten Quartal vor dem Auslaufen der Steuergutschrift erreichten die Verkäufe von Elektroautos in den USA einen Marktanteil von 10 %. Hersteller wie Tesla, Ford und General Motors meldeten Rekordzahlen. GM verkaufte mehr als doppelt so viele E-Fahrzeuge wie im Vorjahreszeitraum.
Prognosen deuten auf einen Abschwung hin
Führende Manager der Branche äußern sich offen über die erwartete Marktabkühlung. Jim Farley, CEO von Ford, prognostizierte kürzlich, dass der Anteil von Elektroautos am US-Gesamtmarkt von rund 7 % im Vorjahr auf 5 % sinken könnte.
Auch General Motors rechnet mit einem deutlichen Nachfragerückgang. Paul Jacobson, Finanzvorstand von GM, erklärte, das Unternehmen erwarte, dass „die Nachfrage nach E-Fahrzeugen ziemlich stark zurückgehen wird“. Diese Einschätzungen spiegeln die Unsicherheit wider, die nach dem Wegfall der staatlichen Förderung im Markt herrscht.
„Sie haben ihre Haltung zu einer reinen E-Auto-Zukunft abgeschwächt. Ich glaube zwar, dass Ford, GM, Stellantis und viele andere Autohersteller den E-Auto-Weg weiterhin aggressiv verfolgen werden. Aber sie gehen diesen Weg vorsichtiger als noch vor ein paar Jahren.“
- Daniel Ives, Tech-Analyst bei Wedbush Securities
Milliardeninvestitionen trotz unsicherer Zukunft
Trotz der düsteren kurzfristigen Aussichten geben die globalen Automobilkonzerne ihre langfristigen Elektrifizierungspläne nicht auf. Sie investieren weiterhin erhebliche Summen in die Entwicklung und Produktion von Elektrofahrzeugen. Ein Grund dafür ist der Wunsch, technologisch nicht hinter dem schnell wachsenden chinesischen E-Auto-Markt zurückzufallen.
Ford kündigte im August eine Investition von 5 Milliarden US-Dollar in die EV-Produktion an und bezeichnete dies als den „nächsten Model-T-Moment“. Obwohl CEO Jim Farley einräumte, dass die Branche „viel kleiner sein wird, als wir dachten“, betonte er die langfristige Bedeutung des Schritts.
Auch Hyundai hält an seinen Investitionsplänen in den USA fest. Der Konzern baut derzeit neue Werke für E-Autos und Batterien in Georgia. José Muñoz, CEO von Hyundai, betonte jedoch, dass die neuen Produktionsstätten flexibel gestaltet werden, um je nach Marktnachfrage zwischen Elektro- und Verbrennungsfahrzeugen wechseln zu können.
Der regulatorische Hintergrund
Die ursprüngliche E-Auto-Offensive wurde stark von den Zielen der Biden-Regierung beeinflusst. Diese sahen vor, dass bis 2030 50 % aller Neuwagen in den USA elektrisch sein sollten. Mit der aktuellen Regierung wurden diese strengen Vorgaben und die damit verbundenen Strafen für die Nichteinhaltung von Emissionsgrenzwerten weitgehend zurückgenommen.
Der Kampf um Emissionsvorschriften
Ein weiterer Faktor, der die Strategie der Hersteller beeinflusst, ist die regulatorische Unsicherheit. Kalifornien und acht weitere Bundesstaaten, die zusammen etwa ein Viertel des US-Automarktes ausmachen, hatten ursprünglich geplant, den Verkauf von Neufahrzeugen mit Verbrennungsmotor bis 2035 zu verbieten.
Der US-Kongress hat jedoch Schritte unternommen, um die Fähigkeit dieser Staaten, strengere eigene Emissionsregeln festzulegen, einzuschränken. Diese Auseinandersetzung wird nun vor Bundesgerichten ausgetragen und könnte sich über Jahre hinziehen. Zukünftige Regierungswechsel könnten die strengeren Regeln potenziell wieder in Kraft setzen.
Gleichzeitig treiben Europa und China ihre eigenen, strengeren Emissionsvorschriften voran. Dies zwingt die global agierenden Automobilhersteller, weiterhin in die Elektromobilität zu investieren, um auf diesen wichtigen Märkten wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die Rückkehr der Hybridfahrzeuge
Als Reaktion auf die veränderte Lage in den USA rücken Hybridfahrzeuge, die sowohl einen Elektromotor als auch einen Verbrennungsmotor besitzen, wieder stärker in den Fokus. Sie bieten einen Kompromiss und ermöglichen es den Herstellern, Emissionsziele zu erreichen, ohne sich vollständig auf einen unsicheren reinen E-Auto-Markt zu verlassen.
„Es gibt immer noch einen aggressiven Vorstoß für E-Fahrzeuge. Aber der Verbrennungsmotor ist kein Schimpfwort mehr“, so Analyst Daniel Ives. Die Unternehmen kehren zu ihren Wurzeln zurück und bieten eine breitere Palette an Antriebsarten an.
Langfristige Perspektiven für Elektroautos
Trotz der aktuellen Hürden bleiben Elektrofahrzeuge aus mehreren Gründen für die Hersteller attraktiv. Ihre Produktion erfordert weniger Arbeitsstunden als die eines komplexen Verbrennungsmotors mit Getriebe, was potenziell zu höheren Gewinnmargen führen kann.
Zudem könnten sinkende Kosten für Batterien, die den größten Teil des Fahrzeugpreises ausmachen, die Nachfrage in Zukunft wieder ankurbeln. Nahezu alle Hersteller forschen an günstigeren Batterietechnologien.
Ford hat bereits angekündigt, im Rahmen seines Investitionsplans bis 2027 einen E-Pickup für 30.000 US-Dollar auf den Markt zu bringen. Zum Vergleich: Der aktuelle Ford F-150 Lightning startet bei etwa 55.000 US-Dollar. Solche erschwinglicheren Modelle könnten entscheidend sein, um E-Autos für eine breitere Käuferschicht zugänglich zu machen.
Doug Field, Chief EV Digital and Design Officer bei Ford, bleibt optimistisch: „Wir glauben, dass heute ein Wendepunkt für die Ford Motor Company und die Autoindustrie sein wird.“ Die Branche passt sich an, auch wenn der Wandel langsamer verläuft als ursprünglich erwartet.




